Wenn man selten mit einem Auto fährt, geht gerüchteweise auch selten was kaputt. Andererseits vergisst und verdrängt man dadurch vielleicht auch eher mal die Dinge zu reparieren die wirklich kaputt sind. Gerüchteweise könnte es bei diesem Chevrolet R30 Dually genau so abgelaufen sein. Seit unserer Diagnose woher das Quietschgeräusch am linken Vorderrad stammt (die Bremsbeläge sind verschlissen) hat es fast genau ein Jahr gedauert bis die Ersatzteile bestellt, geliefert und jetzt ein Termin zum Einbau gefunden wurde.
Eigentlich sollte jetzt die Arbeit relativ schnell von statten gehen. Abgesehen von der Größe und dem Gewicht aller Bauteile und den größtenteils zölligen Werkzeugen die wir benötigen, ist es ein Schrauberjob wie jeder andere. Da wir gutes Wetter haben und uns nicht wirklich sicher sind ob sich der Pickup auf unserer Hebebühne vernünftig aufheben lässt, machen wir es lieber draußen vor der Garage mit einem großen Wagenheber. Solange nichts schief geht, sind wir locker in einer Stunde fertig. So zumindest die Theorie.
Mit dem Pickup auf Unterstellböcken abgesetzt, lösen wir die acht Radmuttern des linken Vorderrad (SW26) und wuchten es von der Radnabe. Der Bremssattel wird von einem Sicherungsblech gehalten das seinerseits mit einer Inbusschraube (SW6) fixiert wird. Mit einem Schraubendreher und Hammer klopfen wir das Blech nach hinten aus seiner Führung. Jetzt kann der Sattel einfach, zumindest für sein Gewicht, nach unten weggezogen und abgeklappt werden. Der eine hintere Bremsbelag bleibt am Sattelhalter, der Vordere hängt am Bremssattel. Damit der Sattel nicht am Bremsschlauch baumelt legen wir ihn auf dem Querlenker ab.
Jetzt schnappen wir uns den Karton mit den neuen Bremsbelägen und vergleichen sie mit den alten Teilen. Schon auf den ersten Blick wird klar das hier für heute nichts mehr klappen wird; die neuen Beläge haben definitiv die falsche Größe. Wir versuchen zwar noch unser Glück bei diversen Teilehändlern und Werkstätten für amerikanische Fahrzeuge im näheren Umkreis aber das was wir brauchen hat leider niemand auf Lager. Frühestens in drei oder vier Werktagen ist mit Nachschub zu rechnen. Das ist schlecht. Aber keine Katastrophe. Wir können ja erstmal alles wieder genau so zusammenbauen wie es war und nächste Woche weiter machen.
Da wir auch für die Trommelbremsen an der Hinterachse auf Verdacht neue Beläge besorgt haben, wollen wir jetzt natürlich auf Nummer Sicher gehen und kontrollieren ob hier auch die falschen Teile gekommen sind. Noch haben wir eine Chance sie beim Verkäufer umzutauschen. Dafür muss die Bremstrommel runter und dafür muss die Steckachse gezogen werden. Im Grunde sind dafür nur die Schrauben der Nabe zu lösen und die Achse rauszuziehen. Aber Achtung, dabei läuft Differenzialöl aus - das darf auf keinen Fall in die Bremstrommel oder auf die Beläge gelangen. Die Einstellmutter für das Radlager wird von einem kleinen Metallkeil gesichert der oben in der Mutter steckt. Mit einer Spitzzange können wir den Keil ziehen und die Mutter lösen.
Unter großen Kraftanstrengungen gelingt es die Bremstrommel von der Achse abzunehmen und einen Blick auf die Innereien werfen. Endlich mal gute Nachrichten: die neuen Teile für die Hinterachse passen und so wie es aussieht besteht hier kein akuter Handlungsbedarf. Aber wenn wir hier bei irgendwann tätig werden wollen müssen wir auch noch ein Sortiment neuer Klammern und Federn mit denen die Beläge und der Handbremsmechanismus verbunden werden. Und vielleicht sollten wir dann auch das Öl in der Hinterachse einmal wechseln. Für heute waschen wir einfach nur den Bremsstaub ab und Stecken die Trommel wieder drauf. Die Mutter muss wieder handfest angezogen werden, so wie sie vorher auch war.
Dann setzen wir den Keil ein und schmieren Dichtmasse auf die Kontaktfläche von Steckachse und Trommel. Mangels Drehmomentwerten für die Schrauben, benutzen wir den Schlagschrauber und gutes Augenmaß. Beim anbringen der Zwillingsräder bemerken wir einen Nagel im inneren Hinterreifen. Tolle Wurst. Das hat uns noch gefehlt. Aber zum Glück hat der lokale Reifendienst noch lange nicht Feierabend und kann uns heute noch weiterhelfen. Theoretisch könnten wir auch das Ersatzrad montieren oder übergangsweise nur mit drei Hinterreifen fahren, aber jetzt wo alles zerlegt ist können wir es auch direkt richtig machen. Für 45€ inklusive Auswuchten könnten wir keinen neuen Reifen kaufen.
Damit der Tag nicht nur mit großen Rückschlägen endet, wollen wir zumindest noch ein Erfolgserlebnis erzielen; die vordere Stoßstange aufhübschen. Die ist seit einem kleinen Feindkontakt mit einer Dönercorvette leicht verbogen. Da wir nichts zu verlieren und keine bessere Idee haben, schrauben wir sie erstmal ab und legen sie auf einen Holzbalken. Mit zwei Leichtgewichten an jedem Ende hüpfen wir so lange darauf herum bis sie wieder etwas weniger krumm ist. Den Rest regelt ein Holzklotz und ein großer Hammer. Jetzt nochmal alles mit Chrompolitur auf Vordermann bringen und wenn wir schon dabei sind können auch direkt die Stoßzähne montieren.
Die hatte dieser Pickup bis zu seinem ersten Unfall in den USA an der originalen Stoßstange. Zwischenzeitlich waren sie nicht lieferbar, darum musste erstmal die neue Stoßstange allein ausreichen. Jetzt hat der Chevy wieder ein Gesicht und nebenbei kaschieren wir damit die restlichen Spuren von unserer Reparatur. Nur die seitlichen Haltewinkel passen irgendwie nicht zu den Löchern im Rahmen. Darum können wir uns ein anderes Mal kümmern. Für heute haben wir genug getan und stellen den Dually wieder auf seine Räder. Damit das linke Radlager ausreichend Schmierung hat, heben wir die Hinterachse rechts soweit wie möglich hoch um etwas vom Öl durch die Achse nach links laufen zu lassen.
Beim nächsten Mal haben wir hoffentlich alle Teile die wir brauchen und können die Geschichte beenden. Bleibt gespannt.
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