Einer der großen Vorzüge vom Leben auf dem Land ist ein etwas entspannteres Verhältnis von Dingen die man aufbewahren möchte und freiem Platz der dafür zur Verfügung steht. Darum ist die Neuanschaffung eines Autos auch kein hinreichender Grund sich direkt von seinem alten Vehikel zu trennen. Allerdings kann es nach jahrelanger Standzeit schonmal zu Startproblemen kommen.
In diesem Fall handelt es sich um einen 93er VW Golf III der seit fast zwei Jahren nicht mehr gefahren ist und auch davor schon längere Zeit nicht mehr offiziell am Straßenverkehr teilgenommen hat. So steht er nun draußen auf der Wiese und wird langsam aber sicher vom Gras überwuchert. Jetzt ist Schluss damit.
Einmal noch muss der Golf zeigen wie gut er sich als Anfängerauto eignet. Für einen angehenden Fahrschüler soll er als Trainigspartner herhalten und sobald das Zusammenspiel von Gas und Kupplung funktioniert wird er endgültig verkauft. Wenn man erstmal auf richtigen Straßen fahren darf verliert die heimische Graspiste sehr schnell ihren Reiz.
Doch bevor es soweit ist, müssen wir den Wagen überhaupt mal ans Laufen kriegen. Dazu braucht es ein bisschen Werkzeug, ein bisschen Zeit und einen Plan wie man die Sache angehen will. Je nach Standdauer und Fahrzeug mal mehr und mal weniger. Darum legen wir einfach mal los und sehen was zu tun ist.
Zunächst müssen wir eine aufgeladene Batterie und frischen Kraftstoff besorgen. Nach jahrelanger Lagerung sind Sprit und Stromspeicher nicht mehr wirklich fit. Nun folgt im Prinzip eine normale gründliche Kontrolle aller Flüssigkeiten wie sie bei jedem x-ten Tankstopp passieren sollte. Ohne ausreichend Öl im Motor, Wasser im Kühler und Bremsflüssigkeit im System wäre ein Startversuch nicht empfehlenswert.
Da unser Proband schon ein paar Tage älter ist, besitzt der Motor noch eine schön überschaubare Technik, das erleichtert uns die eventuelle Fehlersuche schonmal und zudem können wir die Maschine möglichst sanft ins Leben zurück holen. Durch eindringende Feuchtigkeit können die Kolbenringe an der Zylinderwand festrosten, damit hier nichts kaputt geht drehen wir vorsorglich alle Zündkerzen raus und sprühen ordentlich Kriechöl in die Brennräume - mit genügen Einwirkzeit sollten sich damit die Verkrustungen lösen. Nach jahrelangem Ruhestand müssen noch die Lager im Motor mit Öl versorgt werden bevor er starten soll, nicht das uns noch ein Lagerschaden unterkommt. Dazu ziehen wir in unserem Golf einfach die Sicherung der Benzinpumpe raus und lassen den Motor vom Anlasser so lange durchdrehen bis die Öldruck-Warnlampe erlischt.
Gesetzt den Fall das bis hier hin alles planmäßig funktioniert hat kommt die Sicherung und Zündkerzen wieder an ihren Platz und wir lauschen gespannt ob die Benzinpumpe bei eingeschalteter Zündung arbeitet. Ist hier alles gut, wagen wir den nächsten Schritt und versuchen zu Starten. (Wenn es nicht klappt, lieber frühzeitig aufgeben um den Anlasser nicht zu überfordern). Für eine schnelle und relativ sichere Probe wo der Fehler liegt, muss nun der Ansaugtrakt vor der Drosselklappe freigelegt werden.
Hier kommt nun das Starterspray zum Einsatz, ein bisschen davon in die Ansaugbrücke sprühen und den Motor starten. Sollte er sich nun wenigstens kurzzeitig zum Laufen bewegen lassen oder ein paar Fehlzündungen produzieren, müssen wir unseren Fehler im Kraftstoffsystem suchen. Bei diesem Golf bleibt alles ruhig und zusätzlich kann man sehen wie der Kraftstoff eingespritzt wird. Demnach müsste unser Problem bei der Zündanlage zu finden sein.
Auch wenn der 1.6l ABU Motor in diesem Golf "schon" über eine Benzineinspritzung verfügt, ist die Zündung noch ganz wie beim Vorgänger gelöst. Von der Batterie kommen 12Volt zur Zündspule welche die nötige Hochspannung von mehreren 10.000Volt erzeugt und weiter schickt zum Verteiler der seinerseits die vier Zylinder zum passenden Zeitpunkt mit Spannung versorgt. Hier vermuten wir den Fehler, eine Wegfahrsperre hat der Wagen noch nicht und den häufiger auftretenden Defekt im Zündschloss konnten wir durch Messen der Spannung an der Spule ausschließen.
Mit dem abgezogenen Zündkerzenstecker am Motorblock bestätigte sich der Verdacht; kein Funken. So kriegen wir den Motor niemals in Gang. Also weiter Fehler suchen. Immerhin ist dieser Golf ein Massenauto und somit sind seine typischen Defekte ebenfalls massenhaft aufgetreten und behoben worden. Im Internet finden sich ausführliche Checklisten wie die einzelnen Komponenten vom Hallgeber bis zur Zündspule getestet werden können. In unserem Fall ließ sich die Zündspule auch durch überbrücken der entsprechenden Kontakte nicht auslösen.
Demnach braucht dieser Wagen einfach eine neue Zündspule und schon sollte er wieder funktionieren. Für 10€ bekommt man ein gebrauchtes Ersatzteil vom Verwerter und kann die Vermutung direkt überprüfen. Und tatsächlich; mit dem neuen Teil unter der Haube und ein paar Sekunden orgeln springt der Motor an und verfällt in einen verhältnismäßig stabilen Leerlauf.
Nun läuft der Motor schonmal, aber bevor wir fahren können muss die festgerostete Bremse gelöst werden. Dazu fahren wir vorsichtig abwechselnd vor und zurück bis sich die Beläge von der Scheibe lösen. Eine funktionierende Handbremse hat dieser Wagen schon lage nicht mehr - so haben wir zumindest keine Probleme mit festgegammelten Seilzügen. Nur ein bisschen Luft in die Reifen und die Fahrt geht los.
Die erste Proberunde auf der Wiese machen wir mit niedrigem Tempo und prüfen dabei ob die Lenkung ohne Auffälligkeiten arbeitet. Wenn genug Zeit und Platz vorhanden wären könnten wir nun so lange fahren bis die Scheiben wieder freigebremst sind. Für eine neue HU-Plakette wären sicherlich neue Scheiben und Beläge notwendig.
Da dieser spezielle Golf mit größter Sicherheit niewieder am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen wird sparen wir uns diese Arbeit, genauso wie den dringend notwendigen Öl- und Bremsflüssigkeitwechsel.
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