Der Abgasturbolader ist Fluch und Segen der Autofahrer. Einerseits schafft es dieses kleine Bauteil dem sonst so Asthmatischen Dieselmotor richtig Druck zu machen bis sich tatsächlich Fahrfreude einstellt, andererseits ist das Teil auch ziemlich empfindlich und gar nicht so günstig wenn es mal ersetzt werden muss. Wir sparen uns die teure Werkstattrechnung und machen es selber.
Bei unserem Patienten handelt es sich um einen neueren Ford Transit mit dem 2.2l Turbodiesel in der kleinsten Leistungsstufe (85 Pferdestärken). Nach nur 90.000km Gesamtfahrleistung und fünf Jahren verhältnismäßig pfleglicher Behandlung scheint der Turbo austauschreif zu sein. So lautete zumindest die Diagnose der Werkstatt nachdem der Wagen einen ordentlichen Ölverbrauch an den Tag legte.
Da dieser Wagen Berufsbedingt viel auf frisch gepflasterten Einfahrten parkt, war seine Undichtigkeit kein akzeptabler Dauerzustand und sollte schnellstmöglich behoben werden. Ein erster Reparaturversuch bestand darin die stark verölte Rücklaufleitung vom Turbolader zur Ölwanne auszutauschen, leider ohne erkennbaren Erfolg. Die nächste Möglichkeit war demnach der Lader selbst. Aber mal eben 1200€ oder mehr für den Einbau eines Neuteils zu berappen ist doch ein bisschen viel verlangt.
Die Lösung besteht in einem revidierten Gebrauchtteil aus dem Internet. Dazu noch ein neuer Dichtungssatz und eine gebrauchte Zuleitung (nur für alle Fälle), insgesamt rund 400€. Nur der Einbau steht uns jetzt noch bevor. In der Vergangenheit musste bereits ein VW T4 dieser Operation unterzogen werden und dieses Mal haben wir weder Spezialwerkzeuge noch eine Hebebühne zur Verfügung.
Stattdessen muss ein handelsübliches Werkzeugsortiment sowie ein paar Kanthölzer als Auffahrrampe genügen. Immerhin ist im Motorraum des Transit ziemlich viel Platz vorhanden so das wir ohne größere Demontagearbeiten direkt zur Sache kommen können. Lediglich der Deckel vom Luftfilterkasten wird uns in die Quere kommen und muss abgenommen werden.
Ab jetzt sind noch sechs Anschlüsse zu Trennen bevor wir den Turbo in Händen halten können. Zweimal Frischluftseite, zweimal Abgasseite, zweimal Ölversorgung. Und genau in dieser Reihenfolge gehen wir auch vor. Das Rohr vom Luftfilterkasten zur Einlassseite ist nur durch eine Schraubschelle fixiert, dieses kann leicht gelöst und aus dem Weg geschoben werden - da hier noch die Kurbelgehäuseentlüftung angeschlossen ist, belassen wir es dabei.
Genau so verhält es sich mit dem Rohr zwischen Ladeluftkühler und Turbo; Schraubschelle lösen und Rohr abziehen soweit es geht. Zu diesem Zwecke begeben wir uns unter den Motor und arbeiten simultan von oben mit. Ein zweites Paar Augen hilft ungemein um die Muttern auf der Abgewandten Seite vom Hosenrohr und Krümmer zu treffen. Hier benötigen wir 15mm und 13mm Stecknüsse sowie kurze und lange Verlängerungen. Mit etwas Kraftaufwand und einer 1/2Zoll Knarre bekommen wir alle Muttern gelöst, eine jedoch nur von unten. Allerdings drehen sich 4 von 7 Stehbolzen aus dem Flansch heraus.
Das war so eigentlich nicht geplant, aber wir können uns nun wahlweise die mitgelieferten neuen Stehbolzen nehmen oder die Alten samt Mutter wieder einsetzen. Nun müssen wir nur noch die Ölleitungen oben und unten lösen. Wären die Stehbolzen noch an ihrem Platz könnten wir diese nun einfach abschrauben - wir drehen hierfür die Bolzen nochmals lose in ihre Gewinde.
Damit sind wir eigentlich fertig was die Demontage anbelangt. Mit etwas hin und her drehen passt der alte Turbo nach oben durch die Motorhaube nach draußen. Der Vergleich mit dem Ersatzteil zeigt uns das wir nun noch die Schlauchkupplungen an der Frischluftleitung sowie den Schlauch für das Wastegaste hin und her tauschen müssen. Mit spitzen Fingern lässt sich die Welle vom Turbo fassen auf der Turbinen- und Verdichterrad laufen, hier ist eindeutig zu hohes axiales und radiales Lagerspiel vorhanden, möglicherweise drückt hier das Öl vorbei. In unserem Fall war außerdem eine Schraube verkehrt herum eingesetzt und kollidierte mit dem Wastegate-Gestänge, aber das ist kein großes Hindernis - wenn man es bemerkt bevor alles wieder eingebaut ist.
Mit den drei verbliebenen Stehbolzen als Einfädelhilfe und neuen Dichtungen (wo vorher keine waren!) zwischen Krümmer/Turbo und Hosenrohr/Turbo setzen wir den neuen Lader an seinen Platz. Die alten Stehbolzen kommen zurück an ihren angestammten Platz und werden erstmal handfest angezogen bis alles richtig sitzt. Dann komm wieder die 1/2Zoll Knarre zum Einsatz und alles wird mit gefühlten 40Nm angezogen. Im Zweifelsfalle ist halt etwas undicht und wir ziehen noch fester an, immer noch besser als die Bolzen abzureißen.
Ähnlich verhält es sich mit den Ölleitungen, die Hohlschraube der Zulaufleitung ziehen wir wieder nur relativ schwach an, aber nicht ohne vorher mit der beiliegenden Spritze einen Schlag Öl in die Lager vom Turbo zu drücken. Sollte sich hier eine Undichtigkeit zeigen, können wir ebenfalls nacharbeiten. Die Frischluftseite wird nun ebenfalls wieder zusammengesteckt und festgezogen.
Der erste Startversuch ist erfolgreich und der Motor läuft sauber ohne verdächtige Geräusche oder Rauchentwicklung. Einen Ölaustritt können wir erstmal nicht feststellen und werden alle Anschlüsse in der nächsten Zeit genau im Auge behalten, sowohl auf Abgas- als auch Ölspuren.
Damit kann der Transit wieder raus auf die Straße und Geld verdienen. Damit er in Zukunft vielleicht ein bisschen länger durchhält; Motor wenigstens 30 Sekunden warmlaufen lassen, kein Vollgas bevor Motor nicht auf Betriebstemperatur ist und vor Fahrtende den Motor eine Minute im Stand abkühlen lassen.
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