Nicht mal eine Woche lang hat der Polo durchgehalten, jetzt treten die altbekannten Probleme wieder häufiger auf. Dazu kommt ein leises rasseln beim Startvorgang. Die Recherchen lassen für uns nur einen Schluss zu: die Steuerkette hat sich gelängt und beeinflusst möglicherweise (auch) die Steuerzeiten. Für eine genauere Überprüfung muss der Motor ziemlich weit zerlegt werden. Dann können wir die Kette auch einfach direkt tauschen. So schwer kann das ja nicht sein.
Im Gegensatz zur letzten Reparatur an diesem Polo, brauchen wir dieses Mal tatsächlich ein bisschen Spezialwerkzeug. Ein Teil davon wurde sogar selbstgebaut um die Kosten dieser Reparatur erträglicher zu machen. Ob es möglich ist die Steuerkette ohne dieses Werkzeug zu tauschen wage ich zu bezweifeln. Im Zweifelsfall sollte man die Gerätschaften irgendwo ausleihen um sie parat zu haben. Die Kiste mit den Absteckwerkzeugen für Nocken- und Kurbelwelle gibt es im Internet für unter 20€. Der Stirnlochschlüssel für die Nockenwellen-Zahnräder ist ein Eigenbau und würde normalerweise rund 50€ kosten. Die Vielzahn- Torx und Sechskantnüsse hatten wir im Werkzeugfundus, ansonsten müsste man sich davon einige Größen besorgen. Der komplette Steuerketten-Reparatursatz von Febi kostet keine 80€ und enthält eigentlich alles was man an Teilen braucht - bis auf eine Tube Dichtmasse.
Sobald alles Werkzeug und die Ersatzteile bereit liegen, fahren wir den Polo mit den Vorderrädern auf zwei Rampen. So ist ausreichend Platz um unters Auto zu kriechen und die Kurbelwelle zu blockieren, aber dazu später mehr. Nachdem das Auto richtig steht und gegen wegrollen gesichert ist, geht die eigentliche Arbeit im Motorraum los. Also Haube öffnen und Luftfilterkasten abrupfen und dabei nicht die beiden Schläuche auf der Fahrerseite vergessen! Nun sollte der Ventildeckel frei zugänglich sein. Auf der Fahrerseite muss eventuell noch die Halterung vom Kabelbaum abgeschraubt werden um an die beiden Deckel der Nockenwelle zu gelangen. Diese ebenfalls abschrauben und rausfummeln (sitzen ziemlich fest im Motor) um die Absteckwerkzeuge einzusetzen. Diese passen nur in einer Position in die Nut der Nockenwelle. Sollten sie nicht auf Anhieb so stehen dass sich die Schraube des Verschlussdeckel wieder einsetzen lässt, muss mit einer passenden Nuss auf der Knarre an der Kurbelwelle gedreht werden bis alles passt.
Wenn oben beide Nockenwellen in der richtigen Stellung arretiert sind, krabbelt man unters Auto und schraubt den Kurbelwellenpositionssensor ab. Dieser befindet sich auf der Beifahrerseite oberhalb der Antriebswelle am Differential. Anstelle des Sensors wird das entsprechende Absteckwerkzeug eingesetzt, es muss sich deutlich spürbar in eine entsprechende Vertiefung an der Schwungscheibe einsetzen lassen. Sofern alle Absteckwerkzeuge wie geplant an ihrem Platz sitzen, wissen wir zumindest schonmal dass die Steuerzeiten in Ordnung sind und sich die Kette noch nicht gelängt hat. Jetzt muss der Multirippenriemen abgenommen werden. Dafür empfiehlt sich ein Helfer der mit der Knarre und passendem Torxbit in die Schraube der Spannrolle greift und gegen die Federkraft drückt. Dann sollte es möglich sein den Riemen runter zu fummeln - aber macht vorher ein mentales Foto von der genauen Route die der Riemen hat. Im Anschluss kann die Spannrolle, die Umlenkrolle und die Lichtmaschine abgeschraubt werden. Letztere sitzt auch ohne die beiden Schrauben noch verdammt fest am Motor und muss mit einem Montierhebel oder großen Schraubendreher weggedrückt werden - die Kabel muss man dafür nicht abnehmen.
Die Riemenscheibe der Wasserpumpe steht uns auch noch im Weg. Damit sich das Teil nicht dreht während wir die drei Schrauben lösen, kommt ein Bandschlüssel zum Einsatz den man sonst für Ölfilter benutzt. Man muss manchmal halt kreative Lösungen finden. Das selbe gilt für die Abstützung des Motors um das rechte Motorlager entfernen zu können. Wir haben uns für ein dickes Holzbrett unter der Ölwannen und einen Wagenheber auf Kanthölzern entschieden. So lässt sich der ganze Block später auch etwas absenken um an die Schraube der Kurbelwelle zu gelangen. Apropos Kurbelwellenschraube. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten alle Arbeiten von oben und unten am Motorraum erledigt werden. Spätestens jetzt empfehlen wir die rechte Radhausschale auszubauen. Dafür sind nur ein paar Schrauben zu lösen und das Rad muss nicht demontiert werden, im Gegenzug hat man etwas mehr Spielraum um mit dem Kopf und Armen an den Steuerkettenkasten zu gelangen. Bis es soweit ist muss allerdings noch der Ausgleichsbehälter vom Kühlsystem abgeschraubt und zur Seite gelegt werden. Dann ist der Weg zu der fahrzeugseitigen Schraube vom Motorlager, diese ist ebenso wie die drei Schrauben auf der Motorseite zu entfernen.
Als vorbereitenden Schritt haben wir uns nun eine große Pappe genommen und den groben Umriss vom Motorblock skizziert. Hier werden nun alle Schrauben die vom Steuerkettenkasten abgenommen werden genau so platziert wie sie an den Motor gehören. Es sind wirklich viele Schrauben in unterschiedlichen Größen und Längen. Die Kurbelgehäuseentlüftung, der Ölpeilstab, der Ölstandssensor und ganz wichtig die letzte dicke Schraube seitlich in der Aufnahme für das Motorlager müssen ebenfalls demontiert werden, nicht zu vergessen sind auch die Schrauben der Ölwanne oder zumindest der Teil am Kettenkasten. Zu guter Letzt bleibt uns als Endgegner nun die dicke Aussenvielzahnschraube mit der die Kurbelwellenriemenscheibe auf der Kurbelwelle befestigt ist. Eigentlich braucht man dafür einen 18mm Aussenvielzahn, so eine Nuss haben wir allerdings nicht für den Schlagschrauber, aber genau den braucht man um diese echt festsitzende Schraube los zu bekommen. In der Not hat bei uns auch eine 19mm Sechskantnuss mit Wellenprofil funktioniert und die Schraube wird ohnehin mit erneuert. Jetzt sollte der Kettenkasten nurmehr von der Dichtmassse am Ort gehalten werden und die lässt sich mit einem Schaber recht einfach abhebeln.
Sobald der Motor halbwegs offen vor uns liegt kommt erstmal eine Plastikfolie über die Ölwanne damit dort kein Schmutz hinein gelangen kann - ein frischer Ölwechsel steht natürlich trotzdem auf dem Wartungsplan. Alle Dichtflächen sowohl am Motor als auch vom Kettenkasten werden erst mit einem Schaber und danach mit feinem Schmirgelpapier von alten Dichtungsresten befreit. Schließlich soll der Motor hinter nicht nur richtig laufen sondern auch dicht halten. Dazu gehört auch ein neuer Wellendichtring an der Öffnung für die Kurbelwellenscheibe im Kettenkasten. Der ließ sich einfach raushebeln und durch ein neues Exemplar ersetzen. Jetzt wo alles zerlegt ist, bieten sich solche kleinen Nebenarbeiten einfach an.
Die Hauptsache ist jetzt endlich diese Steuerkette in alle Pracht vor uns zu haben um sie auszutauschen. Dafür sind jetzt "nur" die Schrauben der Führungsschienen, des hydraulischen Steuerkettenspanners und das Zahnrad samt Kette und Kettenspanner für die Ölpumpe abzubauen. Dazu sind an der rechten Führungsschiene drei und links eine Schraube zu lösen, dann noch drei am Steuerkettenspanner und eine am Ölpumpen-Kettenspanner. Die kleine Führung zwischen den beiden Nockenwellenrädern wird nur von einer Schraube gehalten. Je nachdem ob man die neue Kette allein oder im Verbund mit neuen Zahnrädern installieren will, hat man nun das Ende der Demontagearbeiten erreicht, oder es geht noch ein bisschen weiter. (Falls die Steuerzeiten nicht gestimmt haben muss dieser Schritt ohnehin gemacht werden) Mit dem passenden Stirnlochschlüssel oder wie bei uns ein Flacheisen mit Löchern für M8 Schrauben die von hinten mit umgedrehten Flanschmuttern durch die Löcher vom Zahnrad gehalten werden und einer 27mm Nuss auf dem Knebel, lassen sich die Schrauben der Zahnräder relativ einfach lösen. Das Zahnrad auf der Kurbelwelle lässt sich mit etwas Kraft einfach abziehen und direkt gegen ein neues austauschen.
Bevor die neuen Teile an den Motor kommen wird noch mal eben schnell alles mit der Zahnbürste von Dichtungsresten befreit und schon können die neuen Teile ans Auto. Die Kette in ihre Führungsschiene hinein zu bekommen ist nicht ganz einfach. Besser geht es wenn die Kette zusammen mit den Schienen aufgesetzt wird, die Schrauben an den Schienen bekommen 18Nm, die vom Kettenspanner 15Nm. Der neue Kettenspanner muss noch entsichert werden sobald er an seinem Platz sitzt - dazu einfach den Sicherungspin raus ziehen. Das Zahnrad der Ölpumpenkette wird einfach wieder auf die Kurbelwelle gesetzt. Falls wie bei uns die Zahnräder ebenfalls getauscht wurden, kommt jetzt wo alles lose zusammenhängt wieder der Spezial-Stirnlochschlüssel und ein Drehmomentschlüssel zum Einsatz; 50Nm und dann nochmal 90° weiter drehen sind das erforderliche Anzugsmoment. Dann müssen die Absteckwerkzeuge aus Kurbel und Nockenwelle entfernt und der Motor mit der Schraube auf der Kurbelwelle zweimal im Uhrzeigersinn durchgedreht werden.
Wenn jetzt immer noch alle Absteckdorne passen, kann der Kettenkasten wieder montiert werden. Mit frisch gereinigten Dichtflächen sind die Startvorraussetzungen optimal damit der Motor nicht direkt wieder undicht wird. Aus der Pumpflasche kann die Dichtmasse in einer gleichmäßigen Raupe einmal rund um den Kettenkasten gezogen werden. Aber vergesst nicht die Dichtflächen in der Mitte, wo die großen Schrauben durch gehen! Idealerweise hat man nun zwei Paar Hände um das Teil wieder an den Motor zu setzen und nirgends hängen zu bleiben. Dann fangen wir an alle Schrauben erstmal nur Handfest einzudrehen um anschließend von unten nach oben anzuziehen. Zum Abschluss kommt eine neue Schraube für die Kurbelwellenriemenscheibe zum Einsatz die am Motor mit 90Nm und dann noch 90° angezogen wird. Obwohl wir eigentlich nicht die richtige Nuss für diese Schraube hatten, ließ sie sich zerstörungsfrei festziehen.
Je nachdem wie viel Vertrauen man in die eigene Arbeit hat kann man jetzt sofort alles wieder zusammenbauen und dann erst der Motor starten, oder man macht es wie wir uns lässt ihn erstmal ohne den Multirippenriemen und Nebenaggregate starten. Sofern beim Durchdrehen von Hand nichts geklemmt hat, sollte eigentlich alles in Ordnung sein. Bei uns hat der Motor zunächst ein paar Sekunden gerasselt, das hörte sofort auf als der Kettenspanner wieder mit Öl gefüllt war. Soweit sieht alles gut aus und die restlichen Anbauteile können wieder an ihren Platz zurück. Speziell bei der Lichtmaschine war es eine echte Fummelarbeit die Schraubenlöcher wieder in eine Linie zu bringen.
Mit einigen Denkpausen zwischendurch und sehr gründlicher Reinigung aller Dichtflächen haben wir für die Aktion einen ganzen Tag gebraucht. Jetzt wo wir wissen wie der Hase läuft sollte alles in rund fünf Stunden über die Bühne gehen. Wobei ich hoffe das jetzt erstmal ein paar Wochen Ruhe ist.
Weitere Anleitungen:
Steuerkette tauschen Polo 1.2 von Pimpowski
Steuerzeiten neu einstellen Polo 1.2 von Pimpowski
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