Freitag, 7. April 2017

Ein Ausfallschritt für den Normalpassat

Im Rahmen der Fahrwerkintensivwochen beim Normalpassat Ende 2015, hat die Werkstatt nicht nur die Querlenker mitsamt Traggelenken und Koppelstangen und einer Spurstange ausgetauscht, sondern auch das bereits länger defekte Radlager vorne links erneuert. Zusammen mit den von uns eingebauten neuen Stoßdämpfern vorne und hinten kann man fast schon sagen, dass hier in nächster Zeit Ruhe herrschen sollte und wir mit ruhigem Gewissen die Fahrten fortsetzen können. Irritiert war ich jedoch, als der Passat meiner Lenkbewegung nicht folgte und ich mich beinahe in der Leitplanke wiederfand . . . .  




Was war passiert? 
Feierabend. Mein Weg führte mich über die Ausfallstraße hinaus aus der Nachbarstadt nachhause. In einem kleinen Vorort der Nachbarstadt angekommen, wollte ich die Auffahrt auf die Bundesstraße nehmen, hielt dabei die Geschwindigkeit von knapp 30 Stundenkilometern und lenkte nach rechts ein, um der kurvigen Auffahrtspur zu folgen. Doch der Passat folgte nicht. Trotz meines Lenkeinschlags rutschte ich mit eingeschlagenen Rädern weiter geradeaus über den Asphalt, geradewegs auf die Leitplanke zu, die Auf- und Abfahrtspur voneinander trennt. Reflexartig nahm ich das Fuß vom Gaspedal und hielt das Lenkrad eingeschlagen fest. Gerade noch rechtzeitig griffen die Räder wieder und der Passat bewegte sich weiter nach rechts fort, noch ehe die Leitplanke das Fortkommen jäh gestoppt hätte. 

Der Schock saß tief! Das habe ich so bislang noch nicht erlebt! Zunächst drehten sich meine Gedanken im Kreis, doch schon recht bald fragte ich mich, warum das gerade passiert war. War ich zu schnell? Nein, definitiv nicht. Die Auffahrt ist großzügig gebaut und führt bergauf. Ich habe schon unzählige Auffahren so durchfahren, ohne dass der Passat oder irgendein anderes Auto so reagiert hätte. Der beginnende Herbst hatte zwar seine Spuren auf den Straßen hinterlassen, aber glatt und feucht waren diese auch nicht. Sollte es dann doch an den alten Sommerreifen liegen? Sie sind inzwischen 9 Jahre alt und haben noch ein Profil von knapp 2,5 bis 3 Millimeter. Unterwegs kann man jedoch wenig anstellen. Ein Ort zum Anhalten fand sich zudem nicht. Vorsichtig setzte ich meinen Weg nach Hause fort, verließ die Bundesstraße an der nächsten Ausfahrt und fuhr quer über die Dörfer heimwärts. Doch auch hier schon das nächste Erlebnis. Die Hauptstraße durchs Dorf ist uneben, geflickt und führt mal bergauf und mal bergab. An einer Ampel musste ich halten. Kurz nach dem Anfahren fuhr ich über eine Bodenschwelle. Der Passat "hebte kurz ab" (also in dem Sinne, wie es normale Autos halt machen, die über Bodenunebenheiten fahren) und setzte aber einige Zentimeter nach links versetzt wieder auf der Straße auf. Danach erstmal nichts weiter zu spüren. Die Fahrt ging normal weiter und der Normalpassat folgte dem Lenkeinschlag. Ein absolut merkwürdiges Kuriosum. Einige Kilometer weiter erwartete mich bereits das nächste Erlebnis. Von einer abschüssigen Bergstraße muss ich in ziemlich spitzen Winkel nach links in eine Straße abbiegen. Auch hier war ich nicht besonders schnell oder übermütig, doch man merkte sehr stark, dass der Wagen immer weiter gen Außenradius schob und versetzt zu seiner eigentlichen Spur die Fahrt fortführte. 

Was ist da bloß los?

Allem Anschein nach, hatte der Wagen Probleme den kontakt zur Fahrbahn zu halten - und das auch bei geringen Geschwindigkeiten. Doch welche Bauteile sind dafür verantwortlich? Im Grunde genommen sind es alle Bauteile da sie Hand in Hand arbeiten. Die Querlenker, der Stabi, die Stoßdämpfer, die Federn, . . . letztendlich übernimmt jedes Teil eine wichtige Teilaufgabe am großen Gesamtwerk Fahrwerk und ist für die exakte "Straßenlage" verantwortlich. Aber zu welchem Bauteil passen diese Symtome? Zuhause angekommen konnte ich am Straßenrand rein äußerlich keine näheren Diagnosen treffen. Alles erschien mir unauffällig. Hatte ich mir das alles vielleicht nur eingebildet? Ich beschloss es die nächsten Tage weiter zu beobachten. Doch leider - da waren sie wieder, die Versatze beim Abbiegen und Überfahren von Bodenschwellen. Scheinbar bahnt sich hier doch ein Problem an. 



Mit Zufall zur Lösung

Zuhause auf der Grube oder bei der Werkstatt des Vertrauens, ist da sicherlich mehr zu entdecken. Am Wochenende setzte ich mich in den Passat und fuhr über die Autobahn nach Hause. Kurz vor dem Ende der Autobahnfahrt, als beim Entschleunigen an der Ausfahrt die Wind-, Motor- und dröhnenden Geräusche der Karosserie abnahmen, war ein leises Surren zu hören, das mir sehr vertraut vorkam. Letztes Mal, als das Radlager defekt war, hörte sich dieses genau so an. Ich überprüfte meine Vermutung, indem ich die Geschwindigkeit variierte und zu beiden Seiten einlenkte. Das Surren war geschwindigkeitsabhängig und je nach Lenkeinschlag verschwand das Geräusch. Das sind ganz klare Anzeichen für ein Defekt des Radlagers. Durch das Geräusch war die Quelle auch schnell detektiert. Es kam von vorne links, genau dort wo die Werkstatt bereits knapp ein Jahr zuvor das neue verbaut hatte. Wie kann das sein? Noch 8 Kilometer bis zur Haustür. Das schaffe ich noch. Zuhause angekommen parkte ich den Passat, stieg aus und trat beherzt oben gegen das linke Vorderrad. Es hatte mittlerweile soviel Spiel, dass ich es im Stand einen deutlich seh- und spürbaren Weg von einigen Milimetern vertikal bewegen konnte. Bei so viel Spiel wundert mich gar nichts. Bei einem entsprechenden Spiel varriert auch die Auflagefläche der Reifen und der Winkel zum Straßenbelag binnen weniger Bruchteile. Schnell nahm ich das Radkreuz zur Hand um zu Überprüfen, ob nicht die Radschrauben locker waren, doch die saßen fest. Ich stattete der Werkstatt einen Besuch ab und konfrontierte sie mit meiner Entdeckung. Die Werkstatt musste feststellen, dass der Sicherungsstift verloren gegangen war und sich die Lagermutter gelöst hatte. Sie stelten das Radlagerspiel neu ein und sicherten die Mutter mit einem neuen Sicherungsstift. Auf der Hebebühne mussten sie dann zudem feststellen, dass die verbliebene Spurstange ebenfalls ausgeschlagen war und alles andere als die Spur exakt führen kann. Zusammen mit dem Radlager war dies der Grund für eine mangelnde Spurtreue.Kaum zu glauben, dass sich die Kräfte im Fahrzeug so potenzieren und die wenigen Milimeter Spiel derartig große Auswirkungen haben.


Was lernen wir daraus? 

A) Wenn man schon das ganze Fahrwerk austauscht, sollte man auch die verbliebene Spurstange lieber prophylaktisch mittauschen, denn die ist genau so alt wie die andere und macht den Kohl auch nicht fett? Falsch angebrachte Geiz ist Geil Mentalität?

B) Oftmals sind es die kleinen Dinge die Kummer bereiten (siehe verlorener Sicherungsstift)

C) Auch wenn du dich in Sicherheit wiegst und keine Gedanken daran verschwendest, weil das Teil (das Radlager) schon ausgetauscht wurde (sogar von der Werkstatt des Vertrauens), kann es trotzdem noch Ärger bereiten

D) Auch wenn die Sommerreifen bislang nicht das Problem waren, dann sind sie es spätestens jetzt, denn 10 Jahre sind definitiv zu alt!

Ideen für weitere Lernzuwächse? Dann hinterlasst doch einen Kommentar!






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