Hochzeiten gehören zu den wichtigsten Momenten im Leben. Damit an diesem einen Tag alles perfekt ist, werden keine Kosten und Mühen gescheut. Darum fährt man selbstverständlich nicht mit irgend einer ranzigen Karre zum Standesamt. Neben der Pferdekutsche oder einer dicken Limousine sind Oldtimer ein beliebtes Transportmittel. Was alles im Hintergrund auflaufen muss damit es keine Störung des Zeitplan gibt und was selbst bei besten Vorraussetzungen schief gehen kann, lest ihr hier.
Morgens um kurz vor zehn Uhr starten wir, also der Trauzeuge und ich, von Glandorf aus in Richtung Bad Bentheim um dort einen 1978er Volkswagen T2 Bus abzuholen. Damit sollen später Braut und Bräutigam zum Standesamt und anschließend nach Hause gebracht werden. Da es dieses Auto nicht in jeder Stadt zu mieten gibt, müssen wir erstmal 80km zum Vermieter fahren und dort den Bulli übernehmen. Bei der Übernahme wird nicht nur der Mietpreis plus Kaution fällig sondern auch bei einem gemeinsamen Rundgang ums Fahrzeug alle bereits vorhandenen Schrammen und Schäden dokumentiert. Anschließend erhalten wir noch eine Einweisung zur richtigen Bedienung der Türen (die Schiebetür immer mit zwei Händen bedienen), der Gangschaltung und der wenigen Schalter im Armaturenbrett. Jetzt können wir uns wieder auf den Heimweg machen.
Mit maximal 80km/h (so steht es auch im Mietvertrag) zulässiger Höchstgeschwindigkeit geht es über Landstraßen zurück nach Glandorf. Unterwegs bleibt viel Zeit sich an das etwas eigenwillige Fahrgefühl in einem 40 Jahre alten Lieferwagen zu gewöhnen. Ohne Servolenkung, ohne Bremskraftverstärker und auch sonst nur mit den wirklich notwendigen Dingen die man zum Fahren braucht. Beim Lenken braucht es etwas mehr Krafteinsatz und beim Schalten etwas mehr Feingefühl um auf Anhieb den zweiten Gang zu treffen. Ansonsten ist der Geruch von Benzin und Öl im Innenraum deutlich wahrnehmbar, obwohl der Motor ein ganzes Stück hinter uns im Auto sitzt. Dafür hört man ihn schon bei etwas höherer Geschwindigkeit überhaupt nicht mehr, weil die Windgeräusche lauter sind. Die stromlinienförmige Schrankwandkontur in Verbindung mit weit abstehenden Aussenspiegeln und nicht mehr ganz perfekten Fensterdichtungen sorgen dafür.
Trotz des straffen Zeitplans bleibt Gelegenheit für ein paar Fotos unterwegs. Wer weiß wann man wieder dazu kommt solch einen Wagen zu fahren. Sobald der Bulli in Glandorf angekommen ist, bleibt gerade noch Zeit für ein wenig Blumendekoration und Schleifen, dann geht es auch schon weiter zum Brautpaar - die bis jetzt noch gar nichts von dieser Überraschung wissen. Mit den Fotografen, Bräutigam, Braut und beiden Trauzeugen im Bulli geht es raus in die Natur um einige Fotos mit und ohne den Wagen zu machen. Hier macht sich das Platzangebot positiv bemerkbar; alle finden einen Sitzplatz, selbst mit ausladendem Kleid und Fotografentasche. Sobald die Fotos im Kasten sind, müssen wir auch schon weiter fahren zum Standesamt.
Jetzt Sitze statt der beiden Fotografen zwei Hochzeitsgäste im Auto. Und es wäre theoretisch noch Platz für viel mehr Leute. Dank den durchgehenden Sitzbänken in Reihe zwei und drei ohne Anschnallgurte wird die maximale Anzahl der Fahrgäste nur durch den Führerschein des Fahrers und die Zulassung begrenzt. Wobei letzteres bei einer holländischen Oldtimer-Zulassung niemand so wirklich genau sagen kann. Draußen vor dem Standesamt geben sich die verschiedenen Hochzeitsgesellschaften regelrecht die Klinke in die Hand. Sobald eine Gruppe abzieht, steht schon die nächste in den Startlöchern. Nach unserem Bulli steht ein geschmückter Mercedes-Benz E500 aus den 90ern, auch kein schlechter Hochzeitswagen.
Sobald das frischgebackene Ehepaar aus dem Standesamt kommt und der Sektempfang überstanden ist, geht es im Korso zurück nach Hause. Dabei wird deutlich dass die Hupe in einem T2 Bulli unterdimensioniert ist. Während die Fotografen wieder fleißig Fotos schießen, wird die Dekoration vom VW abgenommen und einmal kurz der Fußraum ausgefegt. Es ist schon fast 18 Uhr und wir müssen den Wagen wieder nach Bad Bentheim bringen. Endlich kann ich ans Steuer und mich auf dem Fahrersitz niederlassen. Trotz der dicken Sprungfedern im Sitzpolster bekommt man einige Stöße aus der Vorderachse, direkt unter einem, mitgeteilt. Es ist eben doch eher ein Nutzfahrzeug.
Dafür hat man ordentliche Kopffreiheit und auf den stehenden Pedalen lässt sich gut Steptanzen. Den zweiten Gang zu erwischen stellt nach einigen Versuchen auch kein Problem mehr dar, man muss einfach daran denken in Richtung des vierten Ganges zu zielen wenn man in den zweiten Gang will. Und man sollte keinen Wert auf die Tankanzeige legen, die spinnt sowieso und zeigte schon 50km nach dem Start nur noch 1/2 Tankfüllung an. Ganz so viel teures Superbenzin verbraucht der Bulli dann auch wieder nicht. Dass der schöne perforierte Dachhhimmel nur bis hinter die Vordersitze reicht und es im ganzen Auto keine einzige Kopfstütze, aber dafür Aschenbecher in der dritten Sitzreihe gibt, ist hingegen vom Werk so vorgesehen.
15km vor dem geplanten Ziel befindet sich eine Oldtimerwerkstatt an der ich unbedingt nochmal anhalten möchte. Also Bulli parken, Handbremshebel halb aus dem Armaturenbrett ziehen und Motor aus. Nach zehn Minuten durchs Fenster schauen und Fotos machen soll es weiter gehen. Nur einer der drei Schlüssel am Schlüsselbund passt ins Zündschloss und auch das nur in einer Position. Der Motor startet mit etwas Gas sofort und läuft im Leerlauf vor sich hin. Handbremse los, Rückwärtsgang rein und runter vom Parkplatz. Beim anschließenden Wechsel in den 1. Gang will dieser nicht rein gehen und der Motor stirbt ab. Wenn ich den Schlüssel drehe tut sich der Anlasser schwer damit den Motor durchzudrehen. Sehr merkwürdig. Nochmal die Kupplung treten, Gang raus und den Motor starten. Jetzt klingt der Anlasser viel besser und der Motor springt an. Dafür lässt sich der Gang weiterhin nicht einlegen.
Neuer Versuch: Auto los rollen lassen und gleichzeitig den Gang einlegen. Das klappt auch nicht. Dafür steht der Bulli jetzt direkt an der Einmündung zur Straße. Tolle Wurst. Der Rückwärtsgang lässt sich ebenfalls nicht mehr einlegen und verursacht nur ein Kreischen im Getriebe. Mittlerweile ist man in der Werkstatt auf meine missliche Lage aufmerksam geworden. Drei Männer helfen den VW zurück auf den Parkplatz zu schieben. (Nochmal vielen Dank an dieser Stelle für die Hilfe!)
Doch nach einem Blick unters Auto und in den Motorraum findet sich kein Grund für die Probleme. Zeit den Vermieter anzurufen und anschließend WW um Rat zu fragen. Die Wartezeit wird genutzt um nochmal in aller Ruhe die Autos zu betrachten die hier zum Verkauf angeboten werden. Ironischerweise auch ein Abschleppwagen. Vielleicht sollte man den jetzt einfach für eine Probefahrt nutzen und bei der Gelegenheit den Bulli abtransportieren. Nach einer knappen Stunde kommt der Vermieter und macht sich selbst ein Bild von der Lage.
An dem Kabelwust unterm Armaturenbrett kann es sicher nicht liegen. Leider kann auch er nichts daran ändern das keine Gänge eingelegt werden können und so muss der Bus wohl oder übel abgeschleppt werden. Am Seil hinter seinem Peugeot geht es weiter nach Bad Bentheim. Den Motor lassen wir dabei im Stand weiter laufen damit die Beleuchtung nicht auch noch die Batterie plättet. Nebenbei erfahre ich dass dieser Wagen bis jetzt das zuverlässigste Auto im ganzen Fuhrpark gewesen sei und kurz zuvor erst in der Werkstatt durchgecheckt wurde. Manchmal hat man halt einfach Pech.
Unterwegs müssen wir nochmal anhalten und auftanken. 20l Super hat der 1.6l große Boxermotor mit einem Vergaser sich auf der Strecke von 167km reingezogen. Das entspricht 12l/100km, gar nicht so wenig für ein 1200kg Auto und nichtmal 80km/h Spitzengeschwindigkeit. So kommen wir erst im Dunklen an. Schnell noch die Formalitäten klären, keine neuen Macken am Auto und die Kaution gibt es schon mal zurück. Dann noch 30€ für die Zusatzkilometer und nochmal 30€ für den Sprit. Dann trennen sich unsere Wege. Hoffentlich ist es nichts Schlimmes was dem Wagen fehlt. Die Vermutung ist ein gerissenes Kupplungsseil oder verstelltes Schaltgestänge.
Im Fiesta geht es wieder zurück nach Glandorf. Unterwegs merkt man erstmal wieder was 10 Jahre Altersunterschied für ein Auto bedeuten können. Gegen 23h ist die Hochzeitsfeier erreicht. Jetzt will ich nur noch schnell einen Happen essen und dann ab nach Hause ins Bett, so ein Tag ist wirklich anstrengend. Aber wir können froh sein dass die Panne erst nach der Trauung passiert ist. Vielleicht wird es beim nächsten Mal doch wieder eine Pferdekutsche.
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