Wenn
es eine Sache gibt die Autos gar nicht gerne machen, dann tatenlos
rumstehen. Am besten noch ohne Dach über dem Kopf und ohne jegliche
Präservation. Das führt zu einer häufig von Störungen und Defekten wenn
das Fahrzeug dann doch irgendwann wieder in Betrieb genommen werden
soll. Dabei spielt es keine große Rolle wie neu oder alt das Auto ist,
die Symptome sind nur etwas anders. Eine tote Batterie und eckige Reifen
gehören da noch zu den einfachsten Problemen. Dieser VW Caddy mit
Erdgas-Motor hält etwas mehr Arbeit für uns bereit.
Wie und wann genau das ABS und ASR/ESP kaputt gegagen ist weiß niemand mehr so ganz genau. Jedenfalls stand der Caddy eine ganze Weile rum und brauchte erstmal eine neue Batterie um ihn überhaupt starten zu können. Eigentlich sollte er dann zur Hauptuntersuchung gebracht, erfolgreich vorgeführt und dann möglist bald verkauft werden. Solange die vielen gelben Warnleuchten im Kombiinstrument leuchten, sieht die Sache schlecht aus. Und da kommen wir ins Spiel, immerhin ist der "TÜV" seit 11(!) Monaten abgelaufen und einmal hat die Polizei schon 25€ Verwarngeld kassiert.
Bevor
wir irgendwas machen, lassen wir uns so viel wie möglich zum Fahrzeug
erzählen, alles was irgendwie nicht richtig funktioniert oder sonst wie
auffällig war. Nicht weil wir alles reparieren wollen, sondern weil es
uns vielleicht den rettenden Hinweis liefert wo genau wir nach der
Fehlerursache schauen müssen. Dabei erfahren wir auch so unwichtige
Details wie "ja ab und zu springt der Wagen nicht an, dann muss man am
Batteriekabel wackeln und alles ist wieder gut", die sich durch
festschrauben der Batteriepolklemmen direkt korrigieren lassen.
Im nächsten Schritt schließen wir den Laptop mit der Diagnosesoftware an die OBD Steckdose an und lesen die einzelnen Steuergeräte aus. Auch wenn nur von den Brems- und Fahrassistenzsystemen Fehlermeldungen signalisiert werden, heißt das nicht, dass alles in Ordnung ist. Tatsächlich waren eine ganze Menge Einträge im Speicher, um es kurz zu machen bis auf die Motorsteuerung, Airbag, Radio, Lenkung und Wegfahrsperre war ziemlich zu jedem System ein Fehler hinterlegt. Auch nach dem Löschen des Fehlerspeicher blieb ein Großteil davon erhalten. Für die HU und uns wirklich wichtig ist jetzt erstmal nur die Bremsanlage. Dort lautet der Eintrag "1276 - Hydraulikpumpe ABS (V64) 012 - elektrischer Fehler im Stromkreis".
Da
der Fehler sich nicht löschen lässt, wissen wir das er noch akkut ist.
Mehr als die Sicherungen vom ABS zu prüfen können wir jetzt erstmal
nicht tun. Wie die anschließende Internetrecherche ergibt, ist die
Ursache höchstwahrscheinlich eine kalte (lose) Lötstelle auf der Platine
vom ABS Steuergerät. Offiziell kann diese nicht repariert werden, wobei
private Firmen eine Reparatur durchaus möglich machen. Diese Reparatur
kostet nicht nur Geld sondern vorallem auch Zeit. Das ABS Modul wird
ausgebaut, eingeschickt und kommt dann irgendwann hoffentlich heile
zurück.
Die Zeit haben wir nicht, darum kaufen wir ein gebrauchtes Teil vom Verwerter und versuchen damit unser Glück. Dabei ist in erster Linie wichtig ein kompatibles Ersatzteil zu finden. Das geht am einfachsten mit der VW Teilenummer die auf dem ABS Modul steht. In unserem Fall 1K0 614 517 AE. Auch wenn wir jetzt einen Hydroblock mit der identischen Nummer finden, ist das keine Garantie dass dieses Teil auf Anhieb mit diesem Auto harmoniert. In jedem Fall müssen nach erfolgter Installation diversere Sensoren neu angelernt werden. Ohne die entsprechende Diagnosesoftware klappt das nicht.
Mit dem gebrauchten ABS Modul schickte uns der Verkäufer auch noch eine Einbauanleitung in Kurzform. Bevor wir irgendwelche Bremsleitungen lösen und die Anlage hinterher entlüften müssen, stöpseln wir erstmal nur den Laptop ein, lesen die aktuelle Codierung vom ABS Steuergerät aus und notieren diese. Dann schließen wir das neue Modul über den großen Zentralstecker an und versuchen damit ebenfalls Verbindung aufzunehmen. Sollte das nicht klappen, brauchen wir uns gar nicht erst die Mühe machen die Leitungen zu öffnen und das neue Teil einzubauen.
Tatsächlich klappt das soweit auch planmäßig. Der alte Fehler 1276 ist nicht mehr da, dafür jetzt "Codierung nicht korrekt....keine oder falsche Grundeintellung/Adaption bei Bremsdruckgeber, Lenkwinkel- und Querbeschleunigungssensor". Das sind die üblichen Fehlermeldungen die immer nach einem Austausch des ABS Modul anliegen sollen, wurde uns gesagt. Dann dürfen wir uns jetzt endlich um die hydraulische Seite vom Modul kümmern. Damit sich die Sauerei in Grenzen hält legen wir erstmal ein großes Stück Pappe und eine Plastikwanne unters Auto und klemmen einen Einweghandschuh unter den Deckel vom Ausgleichsbehälter am Hauptbremszylinder. In der Theorie sollte auf diese Weise nicht die gesamte Bremsflüssigkeit auslaufen.
Abgesehen davon ist das einzige Werkzeug ein 11mm Bremsleitungsschlüssel. Damit lösen wir alle Leitungen am Hydroblock und drücken sie soweit wie möglich aus dem Weg. Dabei wird aus mindestens zwei Leitungen etwas mehr Flüssigkeit austreten, dort kann man wieder einen Gummihandschuh drüberziehen um die Sauerei zu minimieren. Der Hydroblock und das Steuergerät werden abgesehen von den Leitungen und dem Stecker nur durch drei Gummifüße am Fahrzeug gehalten. Einfach anpacken und fest nach oben ziehen damit sie raus ploppen. Um das Teil aus seinem schattigen Plätzchen zu holen empfehlen wir die beiden flexiblen Leitungen die oben/hinten am Ventildeckel festgemacht sind auszuhaken und ebenfalls aus dem Weg zu drücken.
Am neuen alten Hydroblock sind die Anschlüsse für den Transport mit Stopfen verschlossen, die drehen wir jetzt schon raus da im Motorraum später wenig Platz dafür ist. Ausserdem muss zumindest in unserem Fall die Trägerplatte vom alten ans neue Modul umgebaut werden (zwei Schrauben SW10). Beim Einsetzen bestand für uns die größte Hürde zunächst darin die drei Füße mit den Gummilagern in ihre Löcher am Auto zu einzuführen. Silikonspray und Geduld sind die einzigen Hilfsmittel die wir empfehlen können.
Sobald der Block an seinem Platz ist beginnen wir damit die einzelnen Leitungen wieder anzuschrauben. Sinnvoll ist es dabei von hinten nach vorne zu arbeiten. Achtung! Die Leitungen sind relativ knapp bemessen und noch dazu ziemlich widerspänstig, also passt auf dass sie nicht schief in ihren Löchern stecken und beim festschrauben das Gewinde besschädigt wird. Wenn alle Leitungen ordentlich festgeschraubt sind kommt der Stecker ans Modul und die beiden Schläuche vom Motor können auch wieder zurück an ihren Platz. Nun muss die Bremsanlage entlüftet werden.
Wir haben die Bremse nach dem altbekannten 2Mann-Prinzip entlüftet. Einer sitzt im Auto und betätigt die Bremse, der andere öffnet und schließt die Entlüftungsnippel an den einzelnen Radbremsen. Auf diese Weise konnten wir einen großteil der eingeschlossenen Luft aus der Bremse bekommen, trotzdem war das Bremspedal noch sehr weich und ließ sich mit genug Kraft bis auf den Boden treten. Wir müssen noch die Luft im ABS Hydroblock rauskriegen und das geht am besten wenn der Block wieder normal arbeitet, deshalb kümmern wir uns jetzt erstmal um die elektronische Seite. Also Räder wieder dran und Caddy auf die Erde stellen.
Mit der entsprechenden Diagnosesoftware erhalten wir Zugriff auf das Steuergerät der Bremsenelektronik mit dem Zugangscode 40168, dann die selbe Codierung wie beim alten Steuergerät eingeben und speichern. Anschließend fahren wir den Wagen vorsichtig auf den Hof und beginnen die Anlernphase. Dazu etwa 10m langsam nach vorne fahren, langsam bis zum Anschlag nach links lenken, dann langsam zum rechten Endanschlag, Lenkrad wieder gerade stellen und einige Meter zurück fahren. Jetzt müsste zumindest die ABS/ESP Warnleuchte erlöschen. Nach weiterem langsamen Lenken von Anschlag zu Anschlag ging dann auch die Lenkrad Warnleuchte aus. Jetzt ist das Bremssystem (elektronisch) wieder voll einsatzbereit. Eine kurz Probebremsung auf Schotter oder losem Untergrund bis in den ABS Regelbereich bestätigt die korrekte Funktion.
Wir haben ein paar Mal auf Schotter gebremst damit die Ventile und Servopumpe im Hydroblock arbeiten. Anschließend wieder auf die Hebebühne und nochmal die Bremse entlüften. Am Ende haben wir wieder ein schön festes Pedalgefühl und funktionierende Bremsassitenten. Damit klappt es dann auch bei der Hauptuntersuchung.
Abschließender Hinweis: Die Bremsanlage ist ein sicherheitsrelevantes Bauteil und ein wichtiger Beitrag zur Unfallvermeidung. Dabei kommt es auf alle Komponenten an. Wenn etwas nicht richtig funktioniert oder man sich selbst die Arbeit nicht zutraut sollte man nicht zögern und eine Werkstatt aufsuchen!!! Jeder Unfall ist teurer als die Reparatur einer Bremsanlage.
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