Freitag, 10. Juli 2020

Bremsenservice beim Baby-Caprice (Astra H Limo)


Normalerweise gibt es nur einen guten Grund seinen Gebrauchtwagen beim Händler zu kaufen; er steht dafür gerade das alles glatt läuft und der Wagen zumindest für die Dauer der Gewährleistungspflicht keine horrenden Reparaturkosten verursacht. Leider zählen normale, verschleißbedingte Werkstattbesuche nicht dazu. Darum machen wir den Bremsenservice bei dieser Opel Astra Stufenhecklimousine auch lieber selbst. Sogar das nötige Werkzeug soll im Teilepaket enthalten sein.


Bei der Besichtigung auf dem Hof vom Händler sahen die Bremsen eigentlich noch ganz gut aus. Zugegeben nicht mehr taufrisch aber auf jeden Fall mehr als 5mm Restbelagstärke und keine tiefen Riefen auf den Bremsscheiben. Trotzdem entwickelte sich einige Monate nach dem Kauf ein beständiges quietschendes Geräusch beim tritt auf die Bremse. Das schauen wir uns lieber mal auf der Hebebühne genauer an. Der erste Check: alle Räder lassen sich frei drehen, keine Bremse hängt fest oder schleift permanent - das ist schon mal ein gutes Zeichen.


Sofern nicht irgendwo ein Stein dazwischen klemmt muss wohl ein Belag bis auf das Eisen vom Träger abgenutzt sein. Tatsächlich ist der innere Belag am rechten Vorderrad schon bis aufs blanke Metall runtergefahren. Das ist wirklich sehr merkwürdig und ärgerlich dazu weil die drei restlichen Beläge noch ausreichend Material für mehrere Tausend Kilometer gehabt hätten. So müssen wir mindestens zwei Scheiben und vier neue Beläge montieren. Weil das Material gar nicht so teuer ist, wurde der Plan gefasst die hinteren Bremsen ebenfalls auszuwechseln damit dieses Thema für die nächsten Jahre erledigt ist.


****Exkurs Bremsbeläge und Scheiben wechseln beim Opel Astra H 1.6l****

Da wir die Bremsen an Vorder- und Hinterachse erneuern wollen, bietet es sich für uns an den Astra einmal komplett aufzubocken und an allen vier Rädern parallel zu arbeiten. Dazu können eine Hebebühne oder Wagenheber und Unterstellböcke verwendet werden. Wichtig ist nur das die Radschrauben vorher angelöst (SW17) und der Wagen gegen Runterfallen gesichert wird. Die vorderen Bremssättel werden von einem Drahtbügel und zwei Führungsbolzen festgehalten. Für den Bügel reicht ein einfacher Schlitzschraubendreher zum runterhebeln und für die Inbusschrauben (hinter einer Plastikkappe) ein entsprechendes (7mm) Bit für die Knarre.
 

Je nach dem wie stark die Bremsscheibe verschlissen ist und wie dick der Grat am äußeren Rand, kann es sein dass der Sattel sich mit den Belägen nicht aus seinem Träger nehmen lässt. Dann einfach mit dem Schraubendreher zwischen Belag und Scheibe drücken und hebeln bis der Bremskolben ein Stück weit eingefahren ist, jetzt sollte ausreichend Spielraum da sein. Sobald der Sattel abgenommen wurde entnehmen wir die alten Bremsbeläge und drücken den Kolben mit einem geeigneten Rückstellwerkzeug bis zum Anschlag in die Bohrung des Sattel. Dabei ist nur zu beachten dass der Kolben nicht klemmen oder schwergängig sein und der Bremsflüssigkeitpegel im Ausgleichsbehälter vom Hauptbremszylinder nicht zu hoch steigen darf.


Damit die Bremsscheibe auch abgenommen kann, muss eine kleine Halteschraube am Radflansch und  der Sattelträger vom Achsschenkel entfernt werden. Dazu sind auf der Rückseite zwei Schrauben (SW18) zu lösen - Achtung die Schrauben sitzen sehr fest und ließen sich in unserem Fall nur mit einem extralangen Knebel oder Schlagschrauber lösen. Falls die Scheibe sich nicht einfach runterziehen lässt helfen Hammerschläge ringsherum auf die Scheibe um sie von der Radnabe zu lösen. Jetzt reinigen wir die Kontaktflächen der Scheibe zur Radnabe um vom Bremsbelag zum Sattelträger gründlich mit einer Drahtbürste bevor alles mit neuen Teilen wieder zusammengebaut werden kann.


Die kleine Halteschraube der Scheibe wird nur handfest angezogen, die Schrauben vom Sattelträger bekommen etwas mehr Drehmoment (100Nm) und Schraubensicherungskleber. In unserem Fall mussten die Aussenkanten von der Bremsbelag-Trägerplatte etwas zurechtgefeilt werden bevor sie leichtgängig in den Sattelträger passten. In jedem Fall kommt noch ein wenig Bremsenpaste auf die Rückseite und an die kurzen Seiten von der Belag-Trägerplatte - aber Achtung! nichts auf den eigentliche Bremsbelag oder die Scheibe kommen lassen. Zum Abschluss an der Vorderachse wird der innere Belag in den Kolben vom Sattel eingerastet und das ganze Teil auf den Sattelträger gesteckt so dass die beiden Führungsbolzen wieder festgeschraubt werden können (28Nm und Schraubensicherungskleber). Die Halteklammer sowie Gummistopfen nicht vergessen.


An der Hinterachse arbeiten wir nach einem ähnlichen Schema also Rad runter, Sattel ab, Beläge raus, Träger abschrauben (Anzugsmoment 100Nm +Schraubenkleber), Scheibe runter, saubermachen, wieder zusammenbauen (Sattel Anzugsmoment 25Nm+Schraubenkleber). Nur mit dem Unterschied das die Führungsbolzen etwas anders aussehen und beim zurückdrücken der Bremskolben in den Sattel gleichzeitig gedrückt und gedreht werden muss da hier zusätzlich die Handbremsmechanik eingreift. Dafür existieren spezielle Werkzeuge die diese Arbeit zum Kinderspiel machen - wenn der Sattel selbst nicht kaputt ist. Mit den neuen Scheiben und Belägen an Vorder- und Hinterachse können wir die Räder wieder anschrauben und das Auto auf den Boden stellen. Vor der ersten Probefahrt betätigen wir die Fuß und Handbremse einige Male im Stand damit die Beläge richtig anliegen. Auf den nächsten 1000km versuchen wir unnötige Vollbremsungen zu vermeiden.


****Exkurs Ende****

Für alle die sich Fragen warum diese Astra H Limousine den Spitznamen Baby-Caprice trägt; schaut euch mal Fotos von der Rückseite eines Chevrolet Caprice der 6. Generation an.
Abschließender Hinweis: Die Bremsanlage ist ein sicherheitsrelevantes Bauteil und ein wichtiger Beitrag zur Unfallvermeidung. Dabei kommt es auf alle Komponenten an. Wenn etwas nicht richtig funktioniert oder man sich selbst die Arbeit nicht zutraut sollte man nicht zögern und eine Werkstatt aufsuchen!!! Jeder Unfall ist teurer als die Reparatur einer Bremsanlage.

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