Montag, 30. November 2015

Zähneputzen im Automatik-Bulli


Es war einmal vor langer Zeit, da begab es sich, dass ein gewisser VW Multivan T4 nicht mehr rückwärts fahren wollte. Es kam nicht gänzlich unerwartet, aber doch ungelegen genug, um den Fahrer beim Zurücksetzen aus einer Parkbucht in Schwierigkeiten zu bringen. Der Wagen musste nicht einmal eine nennenswerte Steigung überwinden und bereits die seichte Entwässerungsrinne hielt den großen Wagen auf. Der Auswahl des Rückwärtsganges am Bedienteil folgte keine ausreichende Reaktion des Automatikgetriebes. Was also tun?

Ein kurzes Telefongespräch mit dem Kfz.-Altgesellen des Vertrauens brachte neuen Mut zu einem weiteren Anlauf. Unter Protest des Antriebs und mitfühlenden Schmerzen des Fahrer schaffte es der Wagen dann doch unter deutlichen Lebensäußerungen aus der Lücke. Einige Umstehende schauten etwas verwundert zum lauten Diesel. Die Stimmung getrübt hat das dann allerdings auch nicht mehr.


In der Vorwärtsfahrt zeigte sich der Bully gewohnt unproblematisch. Der 75kW "starke" Fünfzylinder TDI ist in Kombination mit der gemütlichen Viergangautomatik eher ein Gleiter. Und so wird er dann auch meistens bewegt. Dank des einzigen Vorbesitzers scheint der Motor durchaus gut eingefahren zu sein. Die ersten 30.000 km absolvierte der Dicke, nach seiner Erstzulassung kurz nach dem Millenium, in etwas weniger als einem Jahr. Die nächsten Jahre wiesen dann ein ruhigeres Nutzungsprofil auf. Bis heute hat der Bully noch keine 140.000 km gesehen.


Zuhause angekommen folgte eine relativ ernüchternde Recherche. Die Ausfälle der T4 Automatik sind gemeinhin bekannt und treten scheinbar relativ zuverlässig ab 100.000 km auf. Ebenfalls zu Tage gefördert wurde die Ansicht, dass das Getriebe garnicht in ein so schweres Fahrzeug gehören würde. Ursprünglich sei es mal für einen 1,8er Golf entwickelt worden... Pfusch am Bau also auch noch. Die Stimmung sank auf einen Tiefstpunkt und die Aussicht auf eine echt saftige Rechnung machte es auch keinen Deut besser.


Was soll man da machen?Kopf in den Sand stecken hilft nicht. Sand in den Kopf stecken auch nicht.
Also: kompetenten Beistand suchen! Die Problematik bei der Automatik ist generell, dass man einen Spezialisten braucht. Werkzeug und Know-How ist in diesem Bereich in fast allen normalen Werkstätten Mangelware. Teuer wäre es trotzdem immer und das Ergebnis oft fragwürdig. So zumindest die einhellige Meinung in den Foren. Also begann die Suche nach einem zuverlässigen Experten, der dem Automatikgetriebe helfen würde wieder richtig in Gang zu kommen. Nach ein paar ernüchternden Telefonaten - nicht alle, die sich Experten nennen haben auch einen Plan - folgte eine Art kleine Offenbarung. Joachim Lapke rief mich nach einem Eintrag in sein Kontaktformular zurück. Und auf einmal ergab alles einen Sinn. Jedes bekannte Informationsstückchen brachte er zu einer kompetenten Ferndiagnose zusammen. Und er sollte schlussendlich Recht behalten.


Schwierig war es jetzt nur noch, den Wagen auch bis zu ihm und seiner kleinen Ein-Mann-Werkstatt in Seth, welches einige Kilometer nördlich von Hamburg bei Bad Segeberg gelegen ist, zu verbringen. Aus glücklicher Fügung ergab sich eine Gelegenheit. Eine gute Freundin hatte Zeit und war bereit mit einem Mazda 6 Kombi den Begleit- und Rückfahrwagen zu fahren. Und so ging es dann im gemächlichen und materialschonenden LKW-Tempo auf die gut 350 km lange Tour. Die Fahrt war an sich recht ereignislos. Allerdings beschlich den Fahrer des Busses zunehmend ein ungutes Gefühl. Würde die angeschlagene Automatik-Box das noch durchhalten?


Sie hat durchgehalten. Soviel sei gesagt. Und der Bordcomputer spuckte einen rekordverdächtig niedrigen Durchschnittsverbrauch aus; 6,4 Liter auf 100 km. Da hat sich das Volltanken vor der Reise nicht so richtig gelohnt. Die Werkstatt war in dem kleinen Ort erstaunlicherweise nicht besonders einfach zu finden, sie befindet sich in einem ziemlich großen Gebäude, dass von einigen kleinen Schrauber- und Metallbetrieben gemeinsam genutzt wird. Um dieses Gebäude führt ein relativ enges Asphaltband, das man bis zum Ende einmal um den Komplex verfolgen muss, um schließlich zum Lapke zu gelangen. Besonders vertrauenerweckend war der erste Eindruck des Geländes nicht. Alles etwas weniger ordentlich und weniger auf gute Außenwirkung getrimmt, als bei renommierten Autohäusern üblich. Überzeugt hat dann das Übergabegespräch. Und so ging es guter Hoffnung und mit dem etwas seltsamen Gefühl gerade ein Familienmitglied zurückgelassen zu haben auf den Heimweg. Zu bemerken ist noch, dass es in der Umgebung von Seth um die Mittagszeit schwierig ist ein offenes Restaurant zu finden.

Einige Tage vergingen. Dann ein Anruf: Das Nadellager eines Planetenradsatzes hatte sich verabschiedet und gehörte ersetzt. Also noch einen Batzen Geld mehr auf den Kostenvoranschlag.
Was soll man auch machen. Zudem wurde mitgeteilt, dass sich bereits ein Austauschgetriebe im Fahrzeug befand. Folglich muss dem Vorbesitzer in dem kurzen Zeitraum, in dem er den Wagen bewegte, bereits ein Getriebe eingegangen sein. Und das ohne Anhängerbetrieb oder sonstige Überlastung.


Nach erfolgreicher Instandsetzung wurde ein Abholtermin vereinbart. Und wieder stellte sich das Transportproblem. Dieses Mal hatte glücklicherweise Comickus Urlaub und man war sich schnell einig die Fahrt für einen Abstecher nach Hamburg zu nutzen. Genauer gesagt waren drei Dinge angesetzt: Besuch der Oldtimertankstelle, Fischbrötchen am Hafen und eben den Bulli ab zu holen. Um Acht ging es los. Ab auf die A2 Richtung Hannover. Die Fahrt verlief bei leichtem, sporadischem Nieselregen relativ ereingnislos - äußerlich. Denn im Fahrgastraum entbrannte eine Benzin und Diesel befeuerte Diskussion über alles Automobile und eben auch das defekte Getriebe. So wurde die Reise nicht lang und ehen man sich versah war man in Hamburg angekommen.


Die Oldtimertankstelle ist eine GTÜ-Prüfstelle mit angegliedertem "Erfrischungsraum". Dabei handelt es sich um eine Art kleinen Imbiss. Es gibt dort bereits ab 4:00 Frühstück und Mittags gute Hausmannskost. Die Tankstelle hat, erbaut im Jahre 1953, nicht viel von ihrem Charme verloren. Man fühlt sich direkt in eine andere Zeit versetzte. Besonders die Details sind dieser Atmosphäre sehr zuträglich. Von den Tellern und Tassen, den Öldosen und Leuchtmitteln im Verkauf über die angebotenen Gerichte bis hin zur Toilettenspülung. Natürlich gehören zu einer Oldtimertankstelle auch alte Fahrzeuge. Die ließen auch nicht lange auf sich warten. Scheinbar nutzen viele der oltimerbegeisterten Hamburger die GTÜ-Prüfstelle um ihr Gefährt in stilechter Umgebung prüfen zu lassen.


Weiter ging es dann nach Kuchen und Kaffee als zweites Frühstück Richtung Hafen. Mittag muss ja auch noch sein. Die Parkplatzsuche gestaltet sich verhältnismäßig einfach, wenn man dazu bereit ist einen doch ziemlich happigen Preis für ein paar Minuten zu zahlen. Das hat man sich hier vermutlich von der Reeperbahn abgeschaut... Versöhnlich stimmte dann der schmackhafte Fisch im Brötchen und der weite Blick auf die in der Wartung oder Reparatur befindlichen Frachter. Reparatur war ein gutes Stichwort. Das Getriebe sollte sich zu diesem Zeitpunkt gerade wieder im Fahrzeug befinden und den letzten Prüfungen und Komplettierungsarbeiten unterzogen werden. Also ab in den Omega und weiter nach Seth.


Dort angekommen fiel Comickus auf, dass der ebefalls in dem großen Gebäude beheimatete Volvo-Spezielist "Elchmobile" eventuell einige Teile für einen Kollegen haben könnte, der schon länger nach einer Kopfstütze, einem original Radio und einem Tempomaten sucht. Nach kurzem Gespräch und einer kleinen Krötenwanderung waren zwei der drei gesuchten Dinge verladen.
Der Bulli stand nebenan fertig zusammengebaut und probegefahren in der Werkstatt. Die nächste Krötenwanderung fiel dann etwas größer aus. Dafür gabs eine komplette Revision, ein Jahr Gewährleistung auf die Reparatur und die Altteile mit zurück.


Neben einiger Hardware im Getriebe wurde auch an der Software geschraubt. Diese erhielt ein Update in Form eines neuen Steuergerätes mit einer auf bessere Lebensdauer getrimmten Schaltlogik und eine erst bei höheren Geschwindigkeiten greifenden Wandlerüberbrückung. Damit sollen einerseits sehr ungesunde Drehschwingungen bei niedrigen Motordrehzahlen vom Getriebe ferngehalten werden und andererseits die Wandlerüberbrückung nur dann betätigt werden, wenn auch ausreichender Öldruck im Steuerteil des Getriebes vorhanden ist. Ein früher zu bemerkendes schwanken der Drehzahl bei eingerückter Wandlerkupplung ist dadurch ebenfalls behoben worden.

Mit dem Hinweis die Räder nach 50 km Fahrstrecke nocheinmal nachzuziehen und dem Getriebe eine gewisse Strecke zum Einlaufen der neuen Komponenten zu geben wurden wir verabschiedet. In Kolonne und mit wechselndem Führungsfahrzeug ging es auf den Heimweg. Dieser zog sich gefühlt ein wenig und dauerte bis in die Dämmerung.

Geschrieben von Nic
Bilder von Comickus

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