Freitag, 19. Oktober 2018

VW T4: 4 Mal Trag und Führungsgelenke


Und weiter geht es mit dem Rundumschlag an der Bulli Vorderachse. Die neuen Spurstangenköpfe sind montiert und jetzt stehen die oberen und unteren Trag/Führungsgelenke auf dem Programm. Da es hierfür nicht nur Talent sondern auch Spezialwerkzeug braucht, geben wir diese Aufgabe weiter an unseren fähigen Schrauber des Vertrauens. Ein paar Fotos und Erklärungen gibt es dennoch.


Für diese Arbeit braucht es ein Werkzeug um die Gelenke aus ihrem Sitz zu pressen. Im Internet kursieren diverse Anleitungen wie man sich behelfen oder das nötige Werkzeug selbst bauen kann. Wir hatten eine massive C-Schraubzwinge die eigentlich für Mercedes-Benz Fahrwerke gemacht ist, aber mit den passenden Aufsätzen lässt sich damit auch an VWs arbeiten. Eine miniatur Hydraulikpresse wäre sicherlich auch hilfreich gewesen. Ansonsten braucht es einen Wagenheber und Unterstellböcke oder Hebebühne, Schlagschrauber, Drehmomentschlüssel und viel viel Rostlöser.


Sobald die Vorderachse oder besser gleich der ganze Wagen angehoben ist, müssen wir die Drehstäbe entspannen. Diese drücken durch ihre Torsionssteifigkeit den Wagen nach oben und übernehmen so die Aufgabe einer Schrauben- oder Blattfeder in normalen Fahrzeugen. Zum Entspannen braucht es einen Maulschlüssel (SW27) oder eine tiefe Stecknuss. Bevor die Mutter auf der Gewindestange gelöst und somit der Drehstab entspannt werden kann, müssen wir - wie schon bei den Spurstangenköpfen - die untere Gewindelänge ausmessen damit wir hinterher genau auf die selbe Länge kommen und sich das Fahrniveau vom Bulli nicht verändert. Damit es möglichst leicht läuft, sollte das Gewinde vorher mit einer Drahtbürste gereinigt und alles mit Rostlöser eingesprüht werden.


Jetzt wo die Federn entspannt sind, können wir an der Vorderachse weiter machen. Die Vorderräder müssen abgenommen werden und damit man besser an alle Teile die ausgepresst werden sollen heran kommt auch die Spurstangenköpfe und die komplette Bremsanlage, also Bremssattel mit Halter und die Bremsscheibe. Als nächstes wird mit dem Schlagschrauber die Befestigungsschraube der Antriebswelle gelöst und selbige aus dem Achsschenkel gezogen. So kann später der komplette Achsschenkel abgenommen werden. Die Demontage der Bremse und des Achsschenkel sind optional und müssen wohl nicht zwangsläufig durchgeführt werden. In anderen Berichten wurde nur die untere Befestigungsschraube vom Schwingungsdämpfer und der Koppelstange gelöst werden, allerdings muss dann das Gewicht vom Achsschenkel irgendwie aufgefangen werden damit die Bremsschläuche nicht auf Zug belastet werden.


Egal ob mit oder ohne diese Vorarbeiten, kann nun das untere Führungsgelenk am Achsschenkel gelöst werden. Dafür müssen zwei Schrauben (entweder Inbus oder Sechskant) entfernt werden. Mit einem Schraubendreher kann nun das Lager aus seinem Sitz im Achsschenkel gehebelt werden. Die Mutter am Querlenker löst man am besten mit einem Schlagschrauber und nutzt anschließend einen passenden Abzieher oder Ausdrücker. In Verbindung mit gezielten Hammerschlägen und Kriechöl sollte sich das Gelenk aus seinem Konus im Querlenker befreien lassen. Je nach Baujahr des Bullis ist das Gelenk symmetrisch oder asymmetrisch aufgebaut, dann passt es nur in einer Position richtig. Mit neuen Schrauben und Muttern lässt sich alles in umgekehrter Reihenfolge alles wieder montieren. Sofern das obere Gelenk auch getauscht wird, muss mit der Montage noch gewartet werden. Dabei bekommen die beiden Schrauben am Achsschenkel bei unserem Bulli (Modelljahr 1995) jeweils 55Nm +90° und die Mutter am Querlenker 110Nm. Falls sich die Mutter nicht festziehen lässt kann mit einem passenden Inbusschlüssel gegengehalten werden.


Weiter geht es mit dem oberen Traggelenk. Hier muss der Sicherungsring nach oben aus seiner Nut herausgehebelt werden, ein kleiner Schraubendreher eignet sich dafür sehr gut. Danach markieren wir noch die Stellung der Sturz-Einstellplatte (die mit dem Halbkreis-Langloch) mit einem Stift in Relation zum Achsschenkel. Sollte sich etwas bei der Demontage verstellen, können wir so zumindest annähernd wieder auf den alten Stand zurückgehen. Anschließend muss die Haltemutter unten am Gelenk gelöst werden. Bei späteren Modellen kann die Mutter nicht komplett gelöst werden weil die Antriebswelle im Weg ist. Hier empfiehlt sich eine Trenngabel (sieht aus wie eine Forke) oben zwischen Gelenk und Sturz-Einstellplatte zu treiben. Damit sollte es gelingen Den Konus vom Gelenk Stück für Stück zu lockern bis die Mutter komplett abgeschraubt werden kann. In unserem Fall wurde die Antriebswelle aus der Radnabe gezogen als das untere Führungsgelenk ausgebaut war, damit ist von unten viel mehr Platz zum Arbeiten und man kann einen Schlagschrauber einsetzten falls die Mutter nicht freiwillig nachgibt.


Je nachdem welches Werkzeug man im folgenden Schritt einsetzt und wie viele Teile vorher abgebaut wurden um Arbeitsraum zu gewinnen, lässt sich das obere Traggelenk entweder recht einfach oder nur mit viel Mühe aus seinem Sitz im Drehstab lösen. Bevor wir diese massive Schraubzwinge ansetzen muss noch die untere Exzenterscheibe vom Gelenk genommen werden, diese Scheibe muss wiederverwendet werden! Mit einem lauten Knall löst sich das Traggelenk schließlich aus seinem angestammten Zuhause und wandert auf den Müll. Das Loch in dem das Gelenk saß wird mit einer feinen Drahtbürste gereinigt und dann kann direkt das neue Gelenk eingepresst werden. Auch hier kommt wieder reichlich WD40 oder anderes Kriechöl zum Einsatz damit es leichter geht. Mit dem passenden Aufsatz für die Schraubzwinge kann das Gelenk bis zum Anschlag in seinen Sitz gepresst werden.


Sobald das geschafft ist, kann die Schraubzwinge runter und der neue Sicherungsring von oben in die Nut gelegt werden. Anschließend erfolgt die Montage des Achsschenkels von oben nach unten auf die Schraube/Konus vom Gelenk in dieser Reihenfolge: obere Sturz-Einstellplatte, Achsschenkel, untere Exzenterscheibe (passt nur in einer Stellung), Befestigungsmutter. Wenn man dabei ist, empfiehlt es sich auch hier alle Oberflächen zu reinigen damit später alles glatt ineinander passt. Die Mutter bekommt bei unserem 1995er Modell 110Nm Anzugsmoment. Sollte sich die Schraube mitdrehen, kann entweder der ganze Achsschenkel mit einem Wagenheber nach oben gedrückt oder mit einem Inbusschlüssel festgehalten werden. Hier zahlt es sich nochmal aus wenn die Antriebswelle aus dem Weg ist.


Nachdem das obere Gelenk erfolgreich festgezogen ist, kommt die Antriebswelle wieder in die Radnabe und wird von aussen mit einer neuen Schraube mit 150NM+90° angezogen - diesen Schritt erledigt man am besten wenn das Auto wieder auf seinen Rädern steht. Danach das untere Führungsgelenk wie oben im Text beschrieben festschrauben. Die Halteschraube vom Stoßdämpfer und Koppelstange bekommt 160Nm und sollte ebenfalls erst festgezogen werden wenn der Wagen wieder auf eigenen Füßen steht, alternativ mit einem Wagenheber am Querlenker ansetzten bis dieser in normaler Fahrposition liegt. Jetzt die Bremsscheibe auf die Radnabe stecken und mit der kleine Schraube handfest anziehen, der Bremssattelhalter (SW21) bekommt 280Nm und der Spurstangenkopf, wie im letzten Bericht schon erklärt 65Nm (bei Modelljahr 1995). Jetzt müssen die Drehstäbe wieder auf ihr altes Maß gespannt werden, andernfals liegt der Bulli vorne auf den Endanschlägen auf - sieht zwar gut aus, fährt sich aber gar nicht gut. Zum Abschluss noch das Rad wieder aufstecken und mit 160Nm festziehen und wenn noch nicht erfolgt die Schraube der Antriebswelle festziehen.

Sofern an den Einstellungen der Exzenterscheibe und Spur-Einstellplatte (Anzugsmoment 60Nm) nichts verändert wurde, sollte die Fahrwerksgeometrie nach dieser Reparatur immer noch passend sein. Im Zweifelsfall schadet es sicher nichts das Geld für eine ordentliche Spurvermessung zu investieren wenn sich im Gegenzug die Reifenlebensdauer beträchtlich verlängern lässt.

2 Kommentare:

  1. schöne Fotos, immer wieder nett Eure Aktionen zu verfolgen.

    Ich hätte bei der Aktion auch direkt noch die inneren Spurstangen/Axialgelenke gewechselt und vielleicht auch noch die Koppelstangen bzw. deren Gummis, die sehen nämlich auch nicht mehr so schön aus.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo,
      die inneren Spurstangengelenke haben wir überprüft und (noch) kein Spiel feststellen können. Bei den Koppelstangengummis sind wir ebenfalls der Meinung dass diese mal erneuert werden könnten. Vielleicht beim nächsten Reifenwechsel wenn der Wagen passend aufgebockt dasteht.
      Mfg
      Comickus

      Löschen

Mit dem Absenden eines Kommentars bestätigst du, die Datenschutzerklärung (https://schlagzeilenkaefer.blogspot.com/p/impressum.html) zur Kenntnis genommen zu haben.

Mit Absenden deines Kommentars werden Name, E-Mail, Kommentar, URL, IP-Adresse und Zeitstempel in einer Datenbank gespeichert. Du kannst Deine Kommentare natürlich später jederzeit wieder löschen lassen

Indem du mir einen Kommentar hinterlässt, erklärst du dich AUTOMATISCH mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch diese Website einverstanden!

Dieser Blog ist mit Blogspot erstellt und wird von Google gehostet.
Es gelten die Datenschutzerklärung und Nutzungsbedingungen für Googleprodukte.