Montag, 22. Juni 2020

Einhorn im Straßenverkehr: Einspuranhänger


Über Anhänger hinter Autos und Dreirädern haben wir in den letzten Jahren schon ziemlich viel geschrieben. Aber das Thema ist noch lange nicht erschöpft. Beim letzten Maikäfertreffen in Hannover sahen wir ein völlig anderes Gespann das uns bis dato noch nicht untergekommen ist. Ein grüner Käfer mit einer Art Koffer am Heck der nur ein einziges Stützrad hat. Was hat es damit auf sich?



Der Fahrer dieses ungewöhnlichen Fahrzeug war ganz in der Nähe und konnte uns die wichtigsten Fragen direkt beantworten. Es handelt sich hierbei um sogenannte Einspuranhänger, ein Zwitter aus Anhänger und Gepäckträger für die Ladungen die zu groß für den Kofferraum sind. Die grundlegende Idee ist schon ziemlich alt und seit den 1950er gab es sie bei diversen Herstellern und für verschiene Automodelle zu kaufen. Wirklich großen kommerziellen Erfolg hatte leider niemand damit. Spätestens mit dem Ende der Heckmotor-Phase bei den meisten europäischen Herstellern wuchsen die Kofferräume endlich auf ein vertretbares Maß so dass die Anhängsel überflüssig wurden.


VW Käfer waren und sind die beliebtesten Kandidaten für Einspuranhänger. Die Ablagefächer sind relativ klein und stehen nicht im räumlichen Konflikt mit einem Anhängsel. Die weit abstehende Stoßstange kann mit entsprechenden Halterungen für die Scharniere modifiziert werden und wenn der Anhänger nicht gebraucht wird, bleibt genug Platz um in hinter und auf den Käfer zu schwenken. Ganz zu schweigen davon das Käfer über einen langen Zeitraum in großer Stückzahl ohne gravierende Änderung an der Karosserieform und Größe gebaut wurden was die Anpassung und Serienfertigung der Anhänger nochmal vereinfachte.


Dieser grüne Käfer hat seinen Rucksack vom Typ Autoporter aus Berlin von den Stolz Fahrzeugwerken. In der Zeit von 1950 bis 1970 wurden von diesem Modell mehrere Hundert Stück gebaut, heute existiert nur noch ein gutes Dutzend von ihnen. Insofern ein echt seltener Fund.Wer stellt sich bitte einen Einspuranhänger in die Ecke und schweißt ihn nicht direkt auf den Schrott wenn er nicht mehr benötigt wird? Ausser dem Rahmen und der Aufhängung ist die Karosserie das größte Teil was man irgendwie entsorgen müsste. Schön das es nicht soweit gekommen ist.


Wäre es möglich heute so einen Anhänger neu zu bauen und zuzulassen? Wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen? Darf man den Anhänger einfach an ein anderes (neues) Auto montieren? Ja,ja, komplex, nein. So jedenfalls die relevanten Antworten in Kurzfassung. Und hier nochmal etwas mehr im Detail; Anfang der 50er Jahre wurden Einspuranhänger nach allgemeiner Auffassung als Gepäckbrücke eingestuft. Im Prinzip so wie die Fahrradträger für die Anhängerkupplung heutzutage. Diese Brücken sind (fester) Bestandteil des Fahrzeug und kein Anhänger, unterliegen also keiner Zulassungs-, Kennzeichen- oder Prüfpflicht. Dafür müsssen sie, wie der Beiwagen eines Motorradgespann, als bauliche Änderung in den Papieren des dazugehörigen Autos dokumentiert werden. (Änderungsabnahme nach §19 StVZO)


Im Grunde keine wirkliche Hürde, besonders weil die beiden Scharniere nicht wie eine Anhängekupplung Bauartgenehmigt sein müssen. Im wesentlichen musste die Verbindung nur hinreichend Stabil sein und sofern erforderlich zusätzliche Rückleuchten und das Kennzeichen am Einspuranhänger angebracht werden. Eine feste Begrenzung was als Einradanhänger durchgeht gab es zunächst nicht, das wurde erst 1958 eingeführt; die maximale Nutzlast durfte 100kg nicht überschreiten und wenn im hochgeklappten Zustand vom Anhänger das Autokennzeichen verdeckt wird, braucht es ein Wiederholungskennzeichen an geeigneter Stelle. Noch weiter Eingegrenzt wurde der Rahmen ab 1973 im §18 der StVZO; auch Einradanhänger brauchen eine Betriebserlaubnis oder alternativ EG-Typgenehmigung und müssen zusätzlich die Abmessungen 1,2mx1mx1m (LxBxH) sowie das Gesamtgewicht von 150kg nicht überschreiten. Dafür mussten sie seit diesem Zeitpunkt nicht mehr klappbar sein.


Ab dem 1.1.1974 galt diese Vorschrift rückwirkend für alle Fahrzeuge. Somit wurden viele Gepäckbrücken qausi über Nacht zum Anhänger und mussten absofort eine eigene Zulassung oder zumindest Betriebserlaubnis tragen und sich an die regulären Geschwindigkeitslimits für Gespanne halten. Lediglich die Pflicht für eine Bauartgenehmigung der "Anhängekupplung" wurde für Fahrzeuge die vor dem Stichtag im Verkehr waren ausgesetzt. Glücklicherweise wurde diese Art Bestandschutzklausel im März 1974 für alle Einspuranhänger vor dem Stichtag ausgeweitet so dass die nun doch keine Betriebserlaubnis- und Zulassungspflicht hatten. Mit der Überarbeitung der StVZO 2007 wurde der Paragraph 18 gestrichen und durch die Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) ersetzt. Seit dem müssen alle Einradanhänger eine Einzelbetriebserlaubnis sowie reguläre Zulassung haben. Der Besitzstandsschutz für die Betriebserlaubnispflicht-Befreiung (und ggfs. Bauartgenehmigung der Verbindungseinrichtung) sowie Zulassungspflicht-Befreiung (wenn die Größenlimits eingehalten werden) gelten also bis heute weiter.

Quelle: SMV Space Extender

Warum sollte man sich also heute noch einen (neuen) Einspuranhänger kaufen wenn er eine normale Betriebserlaubnis und wahrscheinlich auch Zulassung benötigt wenn ein konventioneller Anhänger günstiger und universeller ist? Tatsächlich gibt es ausserhalb der Motorradsparte keinen echten Markt mehr. Stattdessen hat ein Hersteller die Idee der Gepäckbrücke mit Stützrad wieder aufleben lassen und bietet für größere Lieferwagen und Wohnmobile nun (in der horizontalen Ebene) starr gekoppelte Anhänger an, die zwei Räder haben die wie beim Einkaufswagen frei drehbar sind. So fährt und rangiert man das Gespann wie ein normales Solo-Fahrzeug das einfach nur etwas länger ist. Der Vorteil liegt im Führerscheinrecht; dieser Anbau gilt als eingeständiges Fahrzeug und zählt nicht zum Gesamtgewicht des Zugfahrzeug. So ist mit einem normalen Klasse B Führerschein ein größeres effektives Gewicht  (3500kg + 750kg) und folglich mehr Zuladung (bis zu 600kg) möglich.

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