Ein Schritt vor und zwei Schritte zurück. So kommt es uns jedenfalls vor wenn wir an diesem 125 Kubik Roller arbeiten. Dank des blauen Zwilling können wir jetzt wenigstens einige der potenziellen Fehlerquellen gegenchecken und ohne Wartezeit viele hoffentlich brauchbare Ersatzteile gewinnen. Der Benzinhahn soll nicht das einizige Brauchbare gewesen sein.
Das Problem mit dem alten und allen neuen nachgebauten Benzinhähnen war das sie einfach nicht richtig funktionieren. Entweder der Sprit kommt nicht schnell genug (bzw in ausreichender Menge) oder er schließt nicht restlos dicht ab, so dass der Motor irgendwann mit Benzin vollläuft. Der Benzinhahn vom blauen Otello funktioniert offenbar so wie er soll und in Verbindung mit neuen Benzinschläuchen sollte der Vergaser ausreichend mit Kraftstoff versorgt werden. Also auf zur nächsten Probefahrt.
Unsere Teststrecke besteht aus der Landstraße zum nächsten Dorf. Hier können wir den Roller mit Vollgas fahren und schauen wie weit wir kommen bevor ihm die Puste ausgeht. Tatsächlich können wir jetzt schon ein paar km/h schneller fahren aber nach spätestens einem halben Kilometer fängt der Motor an zu stottern und geht aus. Vielleicht reicht es doch nicht wenn der Vergaser nur mehr Sprit bekommt. Vielleicht liegt es auch daran dass der Motor zu hoch dreht und darum mehr Kraftstoff benötigt als vom Hersteller vorgesehen. Das würde bedeuten mit dem Getriebe, also der Variomatik passt irgendwas nicht. Eine Drossel vielleicht?
Wie durch Zufall war beim blauen Roller ein neuer Keilriemen sowie neue Gewichte für die Vario dabei. Selbst wenn wir keinerlei Probleme mit Dauervollgas hätten, wäre es trotzdem angebracht bei dieser Laufleistung zumindest den Riemen zu wechseln. Wobei auch die Vario-Rollen Verschleißteile sind und sich abnutzen können bis sie irgendwann nicht mehr sauber laufen sondern klemmen und ruckeln. Das würde sich durch eine ungleichmäßige Beschleunigung bemerkbar machen. Im Gegensatz dazu sollte ein verschlissener Keilriemen bis zu dem Moment wo er durchreißt kaum Symptome zeigen.
Um beide zu tauschen muss in jedem Fall der Seitendeckel vom Variomatikgetriebe/Hinterradschwinge demontiert werden. Beim Otello heißt das als erstes den Kickstarterhebel zu entfernen und dann zwölf Schrauben ringsherum zu lösen. Dabei ist nur wichtig zu wissen dass die Schrauben unterschiedlich lang sind und unbedingt wieder an ihren alten Platz zurück müssen. Sobald der Deckel aus dem Weg ist sieht man den Riemen und die eigentliche Variomatik mehr oder weniger offen vor sich.
Damit der Riemen runtergenomen werden kann muss die Mutter der vorderen Riemenscheibe (Lüfterrad) gelöst werden um den Teil mit den Vario-Rollen auszubauen. Entweder hat man dafür das passende Spezialwerkzeug zum Gegenhalten oder einen Schlagschrauber oder man nimmt einfach einen kleinen Spanngurt der durch den Hauptständer und die Kühlrippen geführt wird so dass sich nichts mehr verdrehen kann.Sobald das Lüfterrad runter ist folgt der Keilriemen; einfach vorne und hinten ausfädeln und den neuen wieder auflegen. Sollte der Riemen zu kurz sein hilft es die hintere Riemenscheibe auseinander zu drücken so dass der Riemen hinten weiter zur mitte der Riemenscheibe rutscht. Sofern nur der Riemen fällig ist wars das schon gewesen und das Lüfterrad kann wieder montiert werden.
Um die Vario-Rollen zu wechseln muss das Lüfterrad weiter auseinander genommen werden, also einfach den Riemen abnehmen, eventuell vorhandene Distanz- bzw. Drosselringe von der Welle zwischen den beiden Hälften der vorderen Riemenscheibe abnehmen, hinteren (inneren) Teil der Riemenscheibe (das Reglergehäuse) abziehen. Auf der Werkbank dieses Gehäuse in seine Einzelteile zerlegen; im Inneren befinden sich die sechs Gewichtsröllchen. Einfach die Alten raus, alles säubern und die Neuen wieder reinsetzen. Reglergehäuse zusammenfügen und auf die Welle schieben,Führungshülse aufstecken Riemen auflegen, Lüfterrad aufsetzen und festschrauben (70Nm). Variogehäusedeckel montieren und Kickstarthebel anschrauben (12Nm). Fertig.
Noch bevor wir zur nächsten Probefahrt aufbrechen konnten fand sich eine weitere akute Baustelle am Roller: im Hinterreifen steckt ein Nagel durch dessen Loch jetzt Luft entweicht. Flicken wäre theoretisch möglich, macht für uns in Anbetracht des Reifenalter und der Profiltiefe aber keinen Sinn. Dann doch lieber in das passende Werkzeug und zwei neue Reifen investieren. So schwer kann das doch nicht sein; ein Roller ist ja auch irgendwie ein Fahrrad. Oder nicht? Für den Anfang müssen die Räder vom Roller getrennt werden. Beim Vorderrad muss nur eine Schraube mit Mutter (SW14 und 17) gelöst und die Steckachse aus der Gabel gezogen werden. Der Bremssattel kann montiert bleiben, wir haben ihn nur ein bisschen hin und her gedrückt damit die Beläge nicht zu stramm an der Bremsscheibe anliegen.
Beim Trennen von Rad und Roller muss man nur aufpassen dass die Tachowelle (linke Seite) nicht beschädigt wird und die Distanzhülse (rechte Seite) nicht verloren geht. Jetzt folgt der, für uns, wirklich Anspruchsvolle Teil der Arbeit; den alten Reifen von der Felge und den neuen wieder auf die Felge bekommen. Dafür haben wir uns extra Werkzeug besorgt dass diese Aufgabe erleichtern soll; drei Montierhebel/Reifenlöffel, drei Felgenschoner, Ventileinziehwerkzeug und Montagepaste.
****Exkurs: Reifen wechseln bei einem Roller oder Motorrad****
Ventileinsatz rausdrehen und Luft ablassen. Reifenflanken nach innen drücken um sie vom Felgenhorn zu trennen (im Schraubstock oder mit Muskelkraft/Körpergewicht) und über den Hump ins Tiefbett zu bringen, Reifenmontagepaste auf die Innenseite vom Felgenhorn und Rand der Reifenflanke auftragen damit sie leichter rutschen können. Felgenschoner aufsetzen und mit dem Reifenlöffel zwischen Reifen und Felge packen um den Wulst (innerer Teil der Reifenflanke) aus der Felge raus zu hebeln. Um die Sache zu vereinfachen haben wir auf der Werkbank einen Holzstab montiert auf den die Felge aufgesteckt werden kann und nicht mehr einfach wegrutscht. Gerade beim Versuch das eine Ende vom Wulst über den Felgenrand und gleichzeitig auf der Gegenüberliegenden Seite den Wulst ins Tiefbett der Felge zu drücken muss man ordentlich Kraft aufbringen.
Sobald der Anfang gemacht ist arbeiten wir mit den anderen beiden Reifenlöffeln von dort aus in beide Richtungen. Das letzte Stück braucht wieder die größte Anstrengung, wir empfehlen nochmal nachzuschmieren und den Reifenlöffel nicht mit brachialer Gewalt rumzudrücken. Lieber ein paar mal von den Seiten zuarbeiten als einen großen Sprung zu machen. Für den zweiten Wulst wiederholen wir die selben Arbeitsschritte, idealerweise klappt das jetzt einfacher weil nun von beiden Seiten (innen und aussen) gearbeitet werden kann. Die nackte Felge reinigen wir mit Schleifvlies ringsherum an den Stellen wo der Reifen anliegt; alte Gummi und Dichtreste können dazu führen dass der neue Reifen nicht dicht wird. Das alte Ventil schneiden wir einfach ab und ziehen mit dem passenden Werkzeug das Neue ein. Ein bisschen Reifenpaste erleichtert uns auch diese Arbeit.
Damit die Montage vom neuen Reifen kein Drama wird müssen wir ein paar Vorbereitungen treffen. Das Wichtigste zuerst; den Reifen in die Sonne oder einen warmen Ort legen damit das Gummi möglichst flexibel ist. Schritt zwei: Felge und Reifen großzügig mit Montagepaste einschmieren. Schritt drei: nochmal einen Schluck Wasser trinken, diese Arbeit könnte länger dauern und anstrengend werden. Die Laufrichtung bei Motorradreifen ist bei manchen Modellen für die Vorder- und Hinterräder unterschiedlich - aufpassen! Mit unserem improvisierten Montageständer können wir den Reifen relativ gut mit Kraft von der Seite über die Felge schieben und schon fast bis zur Hälfte aufziehen. Den Rest machen wir mit den Reifenlöffeln (Felgenschoner nicht vergessen!) und wieder von beiden Seiten gleichzeitig. Idealerweise hat man einen Helfer der verhindert dass der Reifen bzw Löffel wieder rausrutscht wenn wir am gegenüberliegenden Ende hebeln. Alternativ eine weiche Unterlage nehmen und die Arbeit auf dem Fußboden machen, dann kann man mit den Knien festhalten.
Das letzte Stück vom Wulst machte uns immer die meiste Arbeit, der Spalt für den Löffel ist so schmal das kein Felgenschoner dazwischen passt und der Löffel die Felge vermacken kann. Darum empfehlen wir einen Löffel frühzeitig dazwischen zu stecken wenn noch genug Platz ist. Beim zweiten Wulst ist nur wieder darauf zu achten, das der Wulst im Tiefbett sitzt um genug Spielraum für das gegenüberliegende Ende zu haben. Irgendwann ist alles geschafft und der neue Reifen muss aufgepumpt werden. Dafür haben wir einfach den Ventileinsatz rausgedreht und mit dem Kompressor aufgepumpt bis der Wulst mit einem deutlich hörbaren Plopp über den Hump springt. Ventileinsatz reindrehen und auf den korrekten Druck aufpumpen. Vorderrad wieder in die Gabel einsetzen und festschrauben. Bei der Probefahrt stellten wir keinerlei Vibrationen im Lenker fest, darum verzichten wir aufs Auswuchten, ansonten wäre das ohne entsprechendes Spezialwerkzeug dann doch ein Fall für die Werkstatt.
****Exkurs Ende****
Beim Hinterrad läuft die Arbeit des Reifenwechsel identisch ab. Der wesentliche Unterschied ist dass hier noch mehr Teile im Vorraus demontiert werden müssen. Als erstes der Schalldämpfer vom Auspuff. Er ist mit drei Schrauben (SW10) am Rohr und zwei Schrauben am Halter (SW13) fest, ausserdem das hintere Schutzblech mit zwei Schrauben (SW10) und die eigentliche Radmutter (SW22) welche bei diesem Roller wirklich extrem fest saß. Ohne das Hinterrad können wir auch gleich einen Blick auf die hintere Trommelbremse werfen. Hier sieht alles noch gut aus und die Beläge sind noch ausreichend dick. Dafür müssen wir uns beim nächsten Mal um eine neue Dichtung für den Flansch vom Schalldämpfer kümmern, sie hat die Demontage leider nicht schadlos überstanden.
Liebe Mannschaft des Schlagzeilenkäfers,
AntwortenLöschensehr herzlichen Dank für die toll bebilderen Berichte zum Daelim. Ich landete über eine Suchanfrage auf Ihrer Seite und bin begeistert von den gut lesbaren Erklärungen, hervorragenden Bildern und detaillierten Infos.
Ganz herzlichen Dank dafür.
Thomas