Montag, 1. Februar 2021

Wir sollten einen Käfer kaufen


In der Vergangenheit hatten wir schon mehrmals das Vergnügen mit einem älteren VW Käfer durch die Landschaft zu tingeln. Zuerst als Beifahrer in WWs rotem 72er und später hinterm Steuer des blauen 85er aus dem Einbecker PS Speicher. Seit dem schwirrt die Idee im Kopf herum so einen Käfer zu kaufen. Die Frage ist jetzt; ist das  wirklich so eine gute Idee oder spricht etwas dagegen? Wie bei so vielen Dingen die man eigentlich nicht braucht aber doch haben möchte ist der Entscheidungsfindungsprozess mehrstufig und umfangreich.



Die wichtigste Frage gleich zuerst; weiß ich schon worauf ich mich da einlasse? Damit sind alte Autos an sich und der VW Käfer im speziellen gemeint - wobei "den Käfer" gibt es eigentlich nicht, dafür wurden im Laufe der Bauzeit zu viele gravierende Änderungen durchgeführt. Darauf gehen wir später nochmal genauer ein. Also worauf lässt man sich denn mit einem alten Auto ein wenn man es kauft? In jedem Fall verzichtet man auf Komfort und Sicherheit, wobei das für viele Menschen gerade den Reiz eines Oldtimers aus macht und solange man damit nicht jeden Tag 100km pendelt und immer Aufmerksam bleibt, kann man damit durchaus leben. Abhängig vom alter des Fahrzeug ist das Defizit teilweise gar nicht mehr so groß. Beim VW Käfer ist das leider nie der Fall - egal ob aus den 50ern oder um die Jahrtausendwende; es sind relativ einfache Autos ohne viel Schnickschnack der das Leben bequemer oder sicherer macht. 

 


Der nächste Punkt über den man sich klar sein muss; alte Autos kosten Zeit und Geld, wieviel jeweils hängt davon ab ob man selbst daran arbeitet und in welchem Zustand das Fahrzeug eingekauft wird. Im Zweifelsfall ist ein fertig restaurierter oder gut erhaltener Wagen auf lange Sicht wirtschaftlicher als eine Ruine wiederzubeleben. Auch wenn Käfer gemeinhin als anspruchslos und schrauberfreundlich gelten, muss man trotzdem wissen was man tut und Werkzeug sowie Ersatzteile fallen auch nicht vom Himmel. Sollen die Arbeiten in der Werkstatt mit vernünftigem Material durchgeführt werden, spart man Zeit und Nerven, investiert dafür mehr Geld. Wichtige Frage: Sieht man Oldtimer eher als Fortbewegungsmittel oder Beschäftigungstherapie in der Garage?


 

Der Übergang vom alten Auto das nur noch begrenzt dem harten Alltagseinsatz ausgeliefert wird und einem schmucken Oldtimer der nur jeden zweiten Sonntag auf die Straße gelassen wird ist nicht nur durch den Wert oder das H-Kennzeichen begrenzt. Manche Leute fahren einen frisch restaurierten Opel Manta B als Winterauto weil es für sie trotz allem ein Gebrauchsgegenstand und keine Statue ist. Regelmäßige Pflege und ein Dach überm Kopf müssen sie in jedem Fall haben, sonst hat man nicht sehr lange Freude daran. Soweit die allgemeinen Fragen vor der Entscheidung für ein altes Auto. Jetzt vertiefen wir die Sache mit Bezug auf den VW Käfer. Abhängig vom Baujahr und Pflegezustand ist vom wertvollen Oldtimer bis zum schrulligen Alltagsauto alles möglich. 


 

Gerade das macht für viele Leute den Reiz eines Käfers aus. Selbst wenn er millionenfach vom Fließband gefallen ist, kann man ihn sehr stark individualisieren (entsprechendes Know-How oder Kapital vorausgesetzt). Ersatzteile sind meist in guter Qualität (für gutes Geld versteht sich) erhältlich und Werkstätten die sich trauen an dem VW zu arbeiten gibt es (noch) in ausreichender Menge. Aber worauf muss man achten wenn man sich einen alten (oder richtig alten) Käfer kaufen will. Grundsätzlich gelten die selben Maßstäbe wie bei einem normalen Gebrauchtwagencheck und dazu noch ein paar käferspezifische Details. 

 


In der Kurzversion: Zustand Karosserie, Zustand Motor & Getriebe, Originalität,Ausstattung/Baujahr. In der Langversion: alte Autos fangen nahezu zwangsläufig an zu rosten. Die Frage ist nur wie stark und an welcher Stelle sie rosten. Dabei kommt eine der Besonderheiten vom Käfer zu tragen; die Karosserie kann relativ einfach von der Bodengruppe getrennt werden. Sollte eins von beidem nicht mehr zu retten sein, muss nur der passende Ersatz beschafft werden. Alternativ kann man zumindest besser an die betroffenen Stellen herankommen um sie zu reparieren. 



Leider könnnen nicht sämtliche Karosserien mit allen Bodengruppen verheiratet werden da es je nach Baujahr mehr oder weniger gravierende Unterschiede gibt. Im Zweifelsfall macht ein Exemplar mit weniger Rost natürlich weniger Arbeit - auch wenn nahezu sämtliche Blechteile neu erhältlich sind. Aber wo rostet die Bodengruppe gerne? Natürlich im Spritzbereich der Räder, so wie andere Autos auch und die Bodenbleche selbst haben ebenfalls gerne mal Löcher. Käfer spezifisch sind zusätzlich die Heizungsluftkanäle im Schweller, durch diese gelangt warme Luft vom Motorraum in die Kabine. Leider kondensiert dadurch  auch viel Feuchtigkeit die das Blech von innen wegrosten lässt.


 

Das Häuschen rostet ebenfalls gerne und auch dafür gibt es fast jedes notwendige Reparaturblech als neues Ersatzteil zu kaufen - wobei die runden Formen es für Novizen wirklich nicht einfacher machen neue Blechstücke sauber einzupassen und ein ordentliches Resultat ohne Kiloweise Spachtelmasse zu erzielen. Insofern ist eine unfallfreie und rostarme Karosserie wirklich Gold wert. Beliebte Rostherde sind die Anschraubkanten der Kotflügel, die Reserveradmulde vorne und das Heckblech hinten. Je nachdem wie dicht oder undicht der Motor ist konserviert sich der Käfer im Motorraum selbst so das hier meist weniger Rost zu finden ist. Wenn Anbauteile wie Türen oder Kofferraumdeckel zu stark verrostet sind, macht es mehr Sinn ein besser erhaltens Gebrauchtteil zu suchen statt viele Stunden in die Reparatur zu investieren - aber Achtung auch hier kann es je nach Baujahr kleine Unterschiede geben so dass nicht alles wild durchgetauscht werden kann. Besonders schwierig wird es für die Zwischenmodelle Baujahr 1966/67 da hier viele Veränderungen ohne festes Schema eingeflossen sind und die Ersatzteilsuche erschweren können.

 


Deutlich einfacher sieht die Mechanik aus. Das heißt nicht dass die Motoren keine Arbeit machen. Aber im Zweifelsfall kann (mit entsprechenden Anpassungen) jeder Motor in jeden Käfer installiert werden. Unterschieden wird nach der Art und Form vom Lüftergehäuse, Hubraum und Vergaseranordnung. Je jünger das Fahrzeug ist, desto größer wurden die Motoren und desto mehr Leistung sollten sie haben. Leider wuchs der Verbrauch mit den stärkeren Motoren ebenfalls. Aber im Alltagsbetrieb wird wohl kaum ein Käfer so viele Kilometer machen dass daraus Probleme entstehen. Solange die Maschine nicht übermäßig Öl verliert oder verbrennt und noch ausreichend Kompression hat kann der Motor tatsächlich lange durchhalten. Beim Gebrauchtkauf kann man sich nur auf die Aussagen des Verkäufers verlassen ob regelmäßig ein Ölwechsel gemacht und das Ventilspiel eingestellt wurde. Viel mehr gibt es an regelmäßiger Wartung erstmal nicht zu beachten. 

 

 

Wichtiger ist schon fast ob überhaupt der richtige Motor eingebaut ist. Wie gesagt der Umbau auf einen größeren Motor ist verhältnismäßig einfach. Aber wenn man auf Originalität Wert längt muss der Motor zumindest den passenden Hubraum und Kennbuchstaben haben - ideal wäre natürlich wenn noch die Originalmaschine drin sitzt. Auch wenn man auf sowas keinen gesteigerten Wert legt muss der Motorumbau zumindest in den Zulassungsunterlagen korrekt eingetragen sein damit es später keine Probleme zum Beispiel bei der Hauptuntersuchung gibt.  Das selbe gilt für alle weiteren Tuningmaßnahmen die für den Boxermotor angeboten werden; nicht alles was gefällt ist auch erlaubt oder bringt eine echte Verbesserung mit sich. 


 

Im Innenraum unterscheidet den Käfer nichts wesentliches von anderen alten Autos. Es gibt einen Teppich der irgendwann mal abgenutzt ist und einen Dachhhimmel der bei unvorsichtiger Behandlung gerne einreißt. Solange ein eventuell vorhandenes Schiebedach ordentlich dicht ist und keine Mäuse ein Nest aus dem Füllmaterial der Sitze gebaut haben gibt es keine ernsten Probleme mit dem Interieur. Und für alle die noch nie das Kabelchaos hinterm Armaturenbrett eines Käfer mit Radio gesehen haben; das ist immer so schlimm und kein Anzeichen schlechter Pflege. Solange alles ordentlich verdrahtet ist und funktioniert sollte man damit einfach leben. 


 

Der letzte Punkt auf unserer Checkliste sind das Fahrwerk und die Bremsen. Abhängig vom Baujahr, Motor und Ausstattung hat der Käfer wahlweise Trommel- oder Scheibenbremsen. In ganz frühen Modellen sogar noch mit Seilzügen betätigt, aber solche Exemplare werden doch eher selten an Leute verkauft die noch nie einen Käfer besessen haben. Beim Fahrwerk wird gerne mit Tieferlegungen gearbeitet, entweder durch Umbau auf eine verstellbare Vorderachse oder geänderte Achsschenkel. An der Hinterachse relativ einfach durch verstellen der Drehstäbe. Ob die Optik und das geänderte Fahrverhalten dem persönlichen Geschmack entsprechen soll jeder für sich selbst entscheiden. Wichtig ist wieder das alles handwerklich sauber gemacht und juristisch einwandfrei dokumentiert ist. 

 


Mit diesem Wissen gewappnet machen wir uns auf die Suche ein Exemplar bei uns in der Nähe anzuschauen. Gemessen am Preis dürfen wir nicht viel mehr als einen Teileträger/Restaurationsobjekt erwarten. Immerhin soll der Wagen vollständig sein und diverse teure (und notwendige) Ersatzteile sind gleich mit dabei. Leider ist der Käfer teilweise zerlegt und somit nicht fahrbereit. Wenn wir diesen VW wirklich kaufen sollten wäre das wohl unser größtes Projekt aller Zeiten. Mehr Schweißarbeiten als am MR2, dem T4 Multivan und dem Omega zusammen! Bleiben wir mal gespannt ob der Preis heiß genug ist das wir zuschlagen müssen.

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