Freitag, 30. Juli 2021

Zu Gast im Erwin Hymer Museum

 

Im Moment befinden sich viele Menschen zum ersten Mal seit geraumer Zeit im Urlaub. Flugreisen ins Ausland sind erstmal noch keine wirklich sichere Option, darum bleiben die meisten Leute im Lande und besuchen die Küsten oder Berge. Statt einem Hotelzimmer oder Ferienwohnung nutzen immer mehr Menschen dafür ein Wohnmobil oder Wohnwagen. Genau während so eines (auto)mobilen Reise besuchen wir ein Museum in dem es ausschließlich um dieses Thema geht; das Erwin Hymer Museum in Bad Waldsee.

 


Für alle die mit dem Namen nichts anfangen können mal ein bisschen Hintergrundwissen; Erwin Hymer war der Gründer des gleichnamigen Caravan und Reisemobil Herstellers. Trotzdem werden im Museum auch Fahrzeuge und Anhänger von anderen Herstellern ausgestellt, für genügend Abwechslung bei den Exponaten ist also gesorgt. Dann machen wir uns mal auf den Rundgang durchs Gebäude, desen äußere Form an ein Wohnwagenfenster erinnert. 

 

 

Im Inneren erwarten uns auf einer Gesamtfläche von rund 7000m² eine Daueraustellung sowie wechselde Sonderausstellungen. Zum festen Bestand gehören 80 historische Wohnwagen, Wohnmobile, Autos und Motorräder die von den Ursprüngen bis zur Moderne alle wichtigen Entwicklungsstufen des Caravaning repräsentieren. Wie eine Gebirgsstraße schlängelt sich der Weg vom Erdgeschoss erst nach oben und dann wieder runter Richtung Gastronomie (die aktuell geschlossen bleiben muss). Den Anfang machen rudimentäre Holzkonstruktionen die mehr an eine Bootskajüte oder Bauwagen erinnern. 

 

 

Der Nachbau eines Dethleffs Wohnauto von 1931 ist das älteste Exemplar im Museum und hat schon ein Hubdach, Etagenbett und Sitzgruppe an Bord. So viel anders als moderne Wohnwagen ist das Layout gar nicht. Auch wenn es zunächst noch keinerlei Camping-Infrastruktur gibt und sich jeder selbst versorgen muss, herscht großes Interesse an diesen Anhängern so das Dethleffs mit der entwicklung eines Serienexemplar begann. Dabei flossen bereits so wichtige Eigenschaften wie Leichtbau und Aerodynamik ein. Wirklich leistungsstarke Zugfahrzeuge waren damals noch nicht üblich so das der Anhänger möglichst wenig Widerstand leisten sollte.

 

 

Alternativ zu den üblichen Wohnwagen mit festen Aussenwänden traten noch vor dem Krieg auch Klappwohnwagen auf die Bildfläche. Teilweise wurde der normale Aufbau im Stand verbreitert um mehr Wohnraum zu gewinnen und beim Transportt Platz zu sparen oder noch extremer die Zeltanhänger die wie ein normales Campingzelt aufgebaut werden müssen. Der Unterschied besteht darin das ein Anhänger als Basis dient, dort sind die Betten, Sitzgruppe und Kochstelle integriert. Auf diese Weise wird der Anhänger sehr kompakt und leicht. 

 

 

Nach dem zweiten Weltkrieg waren die wenigsten Menschen überhaupt in der Lage Urlaub machen zu können und wenn dann nur mit einem Motorrad und Zelt. Der Volkswagen Käfer  als beliebtestes Auto in Deutschland musste natürlich mit geeigneten Wohnwagen verkuppelt werden. Die geringe Motorleistung des VW wurde durch Techniken aus der Luftfahrt bestmöglich kompensiert. Viele der erfolgreichen Wohnwagenkonstrukteure und Hersteller hatten zuvor Flugzeuge für die Luftwaffe gebaut und suchten sich nun neue, friedliche Betätigungsfelder. 

 

 

Der Sprung vom Lkw mit Hausaufbau zum Wohnmobil markiert den nächsten großen Meilenstein. Spätestens als 1952 Westfalia die Camping Box für den VW Transporter auf den Markt brachte und nahezu jedermann seinen Lieferwagen fürs Wochenende zum Mobilheim umfunktionieren konnte. Die Wellblechanhänger von Westfalia boten eine stabile Option für Menschen die lieber mit dem Anhänger hinterm Auto auf Reisen gehen. Bei 0,6mm Blechdicke wiegt der Trailer immernoch nicht zu viel für ein typisches Mittelklasse Auto der Zeit. 

 


Mehr Oberklasse als der Rest ist ein mintgrünes Wohnmobil das im Kühlergrill prominent das BMW Logo trägt. Tatsächlich stammt nur der V8-Antriebsstrang aus einem 502 Barockengel. Den Rest baute die Mindener Karosseriefabrik (MIKAFA) in kleiner Stückzahl. Das Leistungsgewicht ist kaum schlechter als bei einem VW Käfer, nur der Verbrauch liegt mit 20L/100km minimal höher. Dafür ist auch alles an Luxusextras verbaut die damals nur möglich waren. Gasherd, Kühlschrank und Dachterasse. 

 

 

Seit den 60er Jahren wurden die Aufbauten nicht mehr aus Holz oder Blech sondern vermehrt aus GFK gebaut. So wird nochmals Gewicht eingespart und die Haltbarkeit verlängert. Bis auf den Holzfußboden und die Holzmöbel kann jetzt nichs mehr verfaulen und kaputt gehen. Ausserdem lassen sich die runderen Formen, passend zum aktuellen Design der Autos vor dem Anhänger, jetzt deutlich leichter umsetzen. Speziell in der DDR wurden diverse Wohnwagen in Eigenregie aus Holz, Blech oder Verbundmaterial gebaut -wenn es beim Trabant funktioniert kann es für die Mobilheime nicht verkehrt sein. 

 

 

Der Begriff Hymermobil ist seit den 70er Jahren fest verbunden mit Wohnmobilen auf Mercedes Basis.  Damit hatte man ein deutlich größeres und bequemeres Basisfahrzeug als die VW Bullifahrer mit ihren T1 und T2. Dafür musste damals schon eine ordentliche Stange Geld investiert werden. Selbst heute, nach fast 50 Jahren sind sie immer noch auf Reisen oder werden als Selbstausbauten aus alten Lieferwagen  umgebaut. Wenn man die Welt entdecken will ist ein zuverlässiges Basisfahrzeug wohl das wichtigste. 

 


Spätestens seit 1980 hat sich ein gewisser Standard etabliert der bis heute Bestand hat. Die weiße Schale, die faltbare Sitzgruppe, die Chemietoilette mit Auffangbehälter und ein festinstallierter Wasserboiler ausser der Größe gab es seit dem keine riesengroße Umstellung mehr. Noch ein Grund warum alte Wohnwagen und Wohnmobile ein deutlich längeres Leben haben als normale Autos und Nutzfahrzeuge. Gemessen am Preis fahren sie ziemlich wenig und stehen viel rum. 

 

 

Apropos Rumstehen. Wir müssen jetzt auch wieder weiterfahren. Das nächste Museum erwartet uns schon. Dorthin fahren wir natürlich mit einem Reisemobil, nur für den Fall das es mal länger dauert.


Öffnungszeiten: Täglich 10-18 Uhr. Donnerstags bis 21 Uhr.
Eintritt: Erwachsene 11.50€, Ermäßigt 3€, Kinder frei.
Anschrift Robert-Bosch-Straße 7 88339 Bad Waldsee

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