Aus Mücken werden Elefanten. Und aus einem kleinen Gefallen wird ein ganzer Tag Arbeit. Dabei sollte nur ein Skoda Citigo durch die HU gebracht werden. Eigentlich sollte sowas bei einem fünf Jahre alten Auto mit genau 100tkm auf dem Zähler noch kein wirkliches Problem sein. Das dachten wir uns jedenfalls und nahmen den Kleinwagen in Empfang.
Bevor wir uns auf den Weg zur Prüfung machen schauen wir zumindest einmal grob nach den wesentlichen Dingen. Also beispielsweise ob Verbandkasten, Warnweste und Warndreieck irgendwo aufzufinden sind. Oder ob alle Lichter funktionieren. Tatsächlich ist ein Abblendlicht kaputt - sehr klischeehaft. Dafür lässt sich die H4 Glühlampe wirklich sehr einfach auswechseln, das kennen wir auch ganz anders. Jetzt können wir nichts mehr weiter tun für unseren Patienten, ausser die Daumen zu drücken.
Nach 20 Minuten in denen der kleine Skoda seine Qualität unter Beweis stellen muss bekommen wir den Prüfbericht ausgehändigt. Die gute Nachricht zuerst; wir haben bestanden, ohne Mängel! Die schlechte; wir haben trotzdem ein bisschen Arbeit vor uns. Vorne sind die Bremsbeläge schon ziemlich weit runtergefahren und hinten saß eine Trommelbremse fest und musste durch einige Hammerschläge wieder freigängig gemacht werden. Wie lange diese "Reparatur" hält weiß niemand.
So machen wir auf dem Weg nach Hause noch einen Zwischenstopp beim Autoteiledealer des Vertrauens um neue Bremsscheiben und Beläge für die Vorderachse zu bestellen. Kleiner Tipp dazu am Rande: bei jedem Auto aus dem VAG Konzern befindet sich ein Aufkleber im Kofferraum oder der Reserveradmulde mit sämtlichen Ausstattungscodes, unter anderem auch die Bremsanlage. Damit ist es noch einfacher und zuverlässiger möglich genau die passenden Ersatzteile zu bestellen. Nur Anhand der HSN und TSN sowie Erstzulassungsdatum gelingt das leider nicht immer.
Am nächsten Tag sind die Teile angekommen und wir können mit der Bremse vorne loslegen. Das ist gar kein großer Akt - wenn alles funktioniert wie es soll. Erstmal den Wagen aufbocken und die Vorderräder abnehmen. Dann die beiden schwarzen Deckel auf der Rückseite vom Bremssattel abhebeln und die beiden dahinter liegenden Führungsstifte losdrehen. Dafür benötigen wir ein langes 7mm Inbus-Bit. Sollte der Wagen mit Verschleißkontakten an den Bremsbelägen ausgestattet sein, müssen diese natürlich abgestöpselt werden bevor wir fortfahren können. Dieses Sparbrötchen Modell hat sowas nicht.
Wenn beide Bolzen gelöst und zurückezogen sind kann der Bremssattel mit einem Schraubendreher oben vom Sattelhalter weggehebelt werden. unten geht das nicht! Der Sattel muss nach aussen geklappt und hochgezogen werden um ihn zu befreien. Um die Bremsscheibe zu demontieren muss die kleine Schraube (Torx TX30) entfernt und eventuell mit einem Gummihammer etwas nachgeholfen werden um die Scheibe von der Nabe zu lösen. Jetzt nehmen wir direkt eine kleine Drahtbürste und reinigen den Sattel sowie den Träger und die Radnabe vom Bremsstaub und Rost. Dann kommt die neue Bremsscheibe an ihren Platz und wird direkt festgeschraubt.
Mit einem geeigneten Rückstellwerkzeug drücken wir den Kolben in den Sattel um Platzfür die neuen dickeren Beläge zu schaffen. Beim Einbau der Beläge darauf achten das es Unterschiede für die innere und äußere Seite gibt. Dort wo die Beläge später auf dem Halter aufliegen schmieren wir noch ein wenig Keramikpaste drauf, dann kommt der Sattel wieder an die Radnabe und wird festgeschraubt. Wir verwenden sicherheitshalber ein bisschen mittelfesten Schraubenkleber für alle Schrauben an der Bremsanlage.
Weiter geht es an der Hinterachse. Auch hier den Wagen aufbocken und die Räder demontieren. Auch die Bremstrommeln sind zusätzlich mit einer Schraube an der Radnabe gesichert, diese entfernen wir. Dann brauchen wir einen kleinen Schraubenreher um den Nachstellmechanismus durch eines der Gewindelöcher zurückzusetzen. Etwa auf 2 Uhr Position (Beifahrerseite) bzw. 10 Uhr Position (Fahrerseite) sitzt ein kleiner Spreizkeil den wir nach oben drücken müssen. Nun sollten die Beläge nicht mehr an der Trommel anliegen. Wieder kommt der Gummihammer zum Einsatz um die Trommel von der Nabe zu trennen.
Neben viel Bremsstaub sehen wir in der Trommel erstmal nicht viel, aber wenn man die Manschette vom Radbremszylinder etwas drückt, tropft Flüssigkeit raus. Das ist nicht gut. Besser wir montieren einen neuen Zylinder. Dafür müssen die Bremsbacken ebenfalls demontiert werden. Dann können wir auch gleich alles neu machen und die Beläge sowie Federn ersetzen. So teuer ist das Material auch nicht, also zurück zum Teiledealer und nochmal einen Tag auf Teile warten. Dazu ist der Einbau eine elendige sauerei und fummelei wenn man sowas nicht jeden Tag macht. Darum ist diese Aufgabe nichts für Novizen ohne kundigen Helfer. In jedem Fall empfehlen wir immer nur eine Seite zu zerlegen um notfalls auf der anderen Seite zu schauen wie es richtig zusammengehört.
Der Trick beim einhängen der neuen Federn und Bremsbacken besteht darin schon möglichst viel auf der Werkbank vorzumontieren um die Arbeit auf den Knien vorm Auto zu minimieren. Wenn wie in unserem Fall der Bremszylinder getauscht wird braucht man noch einen 12mm Bremsleitungsschlüssel und einen 6mm Ringschlüssel für den Entlüftungsnippel. Zum Entlüften der Bremse entweder einen Helfer engagieren oder ein Entlüftungsgerät benutzen - aber erst wenn die Trommel auch wieder drauf sitzt. Damit die Handbremse hinterher wieder richtig funktioniert muss ein Helfer die Fußbremse betätigen während wir mit einem Schraubendreher den Nachstellkeil ein Stück nach unten ziehen.
Als letzter Punkt auf der Agenda nehmen wir noch kurz den Deckel vom Zahnriemengehäuse ab und prüfen seinen Zustand optisch. Laut VW gibt es kein festes Wechselintervall - so lange er nicht rissig ist darf er drin bleiben.
Abschließender Hinweis: Die Bremsanlage ist ein sicherheitsrelevantes Bauteil und ein wichtiger Beitrag zur Unfallvermeidung. Dabei kommt es auf alle Komponenten an. Wenn etwas nicht richtig funktioniert oder man sich selbst die Arbeit nicht zutraut sollte man nicht zögern und eine Werkstatt aufsuchen!!! Jeder Unfall ist teurer als die Reparatur einer Bremsanlage.
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