Montag, 13. Juni 2022

Ausgleichende Gerechtigkeit im Fiesta

 

Dafür das der Fiesta schon seit über einem Monat wieder legal auf der Straße fahren darf, steht er immernoch verdammt still in seiner Ecke in der Garage. Irgendwie fehlt dieses Jahr sowohl die Zeit als auch der Anlass den kleinen Ford aufzuwecken. Für den täglichen Arbeitseinsatz ist dieser Kleinwagen inzwischen wirklich zu alt und zu schade. Aber jetzt ist die Gelegenheit günstig. Also muss der Ford zurück auf die Straße kommen - und das nicht so wie er die letzten 31 Jahre gewesen ist. 

 


Seitdem der Jimny ein neues Fahrwerk bekommen hat, wissen wir aus eigener Erfahrung wie sehr ein paar Federn und Stoßdämpfer den Charakter eines Autos verändern können. Solange man die Sache nicht übertreibt und weiß welche persönlichen Vorlieben man an die Straßenlage seines Autos hat, gibt es im Zubehörteilemarkt höchstwahrscheinlich genau das passende Setup. Zu hart, zu weich, zu hoch, zu tief, alles kann man kriegen - nicht alles sollte man auch machen. Zumindest wenn der Wagen am Ende auch noch für den alltäglichen Straßenbetrieb gebraucht wird. Darum macht es immer Sinn sich vorher schlau zu machen und mit Leuten zu sprechen die das selbe Fahrzeug unterm Hintern haben.



Bei meinem Fiesta ging es von Anfang an nicht um eine bessere Straßenlage im Sinne von Sportlichkeit und Rennstrecken. Er soll einfach nur etwas tiefer werden damit es nicht so stelzig aussieht. Wenn das schaukelige Fahrverhalten im selben Zuge auch ein wenig straffer wird, ist das ein netter Nebeneffekt den wir gerne akzeptieren. Da das Budget für dieses Experiment ziemlich knapp gehalten ist (bis wir ganz sicher wissen das es auf Dauer genau so bleiben soll), kommen erstmal die 31 Jahre alten originalen Öldruck Stoßdämpfer wieder zum Einsatz. An Stelle der originalen Federn werden ringsherum H&R Tieferlegungsfedern eingebaut die den Fiesta ziemlich genau 40mm näher an den Boden bringen sollen. 



Alternativ wären maximal 75mm vorne und 50mm hinten möglich, aber das ist dann schon so tief das man an der Karosserie nacharbeiten müsste um genug Platz für die Reifen zu schaffen und bei jeder Bodenwelle oder Schlagloch die Gefahr besteht mit einem Teil der Karosserie oder Auspuff irgendwo hängen zu bleiben. Abgesehen davon wird das Fahrwerk dann ziemlich hart sein, was in Verbindung mit dem kurzen Radstand dazu führt das der Wagen über die Straßen hoppelt und springt statt sauber zu rollen. Das will ich auf gar keinen Fall. Insofern sind 40mm ein guter Startpunkt und genau das Maß der Höherlegung beim Jimny, also stellen wir das Gleichgewicht im Universum wieder her. Und wenn sich später rausstellt das der Wagen optisch noch zu hoch steht und offensichtlich Luft nach unten bleibt, könnte man immer noch andere Federn einbauen. Oder man legt richtig Geld auf den Tresen und kauft sich gleich ein verstellbares Gewindefahrwerk. 



Um die Federn an der Vorderachse zu tauschen müssen wir den Wagen erstmal hochheben und die Räder abschrauben. Ob dafür eine Hebebühne oder Wagenheber und Unterstellböcke benutzt werden, ist jedem selbst überlassen. Danach sprühen wir die Klemmschraube am Fuß des Federbein mit reichlich Rostlöser ein. Die Schraube (SW19) entfernen wir mit dem Schlagschrauber und den Bremsschlauch hebeln wir von Hand aus seiner Halterung. Nachdem der Rostlöser ein wenig Zeit zum Einwirken hatte, beginnen wir mit einem Gummihammer auf den Achsschenkel zu schlagen so das dieser langsam vom Federbein rutscht. Zur Unterstützung haben wir auf der Rückseite (da wo die Schraube saß) einen breiten Schlitzschraubendreher in den Spalt geschlagen um das Gehäuse ein wenig aufzuspreizen. Aber Achtung! Nicht übertreiben, sonst kann das Teil zerbrechen. 

 

 

Um den Achsschenkel endgültig vom Federbein zu trennen müssen wir den Querlenker mit etwas Kraft nach unten drücken. Sobald das passiert ist, hängt das Federbein nur noch an der Mutter (SW19) vom Domlager. Also auf mit der Motorhaube, die Plastikkappe vom Domlager abziehen, Federbein unten festhalten und oben die Mutter lösen. Auf der Werkbank liegt der Federspanner schon bereit. Wir drücken darin die Feder soweit zusammen bis kein Druck mehr auf dem Domlager lastet. Die zweite Mutter (SW19) darf auf keinen Fall vorher gelöst werden da sonst die Feder durch die Gegend fliegen kann. Dafür am besten wieder einen Schlagschrauber nutzen. Ansonsten braucht man einen 6mm Inbusschlüssel um die Kolbenstange gegenzuhalten. Nun können wir die originale Feder vorsichtig wieder entspannen und an ihrer Stelle die neue kürzere Feder einspannen. Der Stoßdämpfer inklusive Anschlagpuffer und Domlager wird wieder genau so zusammengebaut wie es vorher war. Die untere Mutter bekommt 60Nm Anzugsmoment. 



Solange die Feder richtigherum eingesetzt wird und in der richtigen Orientierung zum Federteller steht, kann man hier gar nicht mehr so viel falsch machen. Also rein ins Auto damit und die obere Mutter mit 50Nm und die untere Klemmschraube mit 85Nm anziehen. Auch wenn wir jetzt wirklich gerne schauen würden wie der Fiesta wohl mit Keilformfahrwerk aussehen würde, machen wir lieber gleich an der Hinterachse weiter - unsere Zeit ist knapp. Hinten müssen wir wieder die Räder abnehmen und zusätzlich den Kofferraumdeckel öffnen. Die Schraube (SW19) unten am Federbein zur Hinterachse wird höchstwahrscheinlich wieder sehr festsitzen, darum ordentlich Rostlöser drauf sprühen und abwarten. Wichtig ist hier noch zu wissen das immer nur ein Federbein abgeschraubt werden darf, ansonsten könnte die Hinterachse einfach nach unten wegklappen. 



Sofern die eine Schraube erfolgreich gelöst wurden müssen noch zwei Muttern (SW13) oben unter den Gummikappen der Federdome gelöst werden. Auch dieses Federbein  spannen wir wieder zusammen und entfernen erst dann die obere Querschraube (SW17) entfernen. Mit der neuen Feder alles in umgekehrter Reihenfolge wieder zurück ins Auto. Die beiden kleinen Muttern ziehen wir mit 35Nm fest und die untere Schraube an der Achse mit 120Nm. Wenn das Spiel auf der Beifahrerseite wiederholt ist, können wir die Räder wieder aufstecken und das Fahrzeug zu Boden lassen. Oder man macht es wie wir und wechselt direkt noch die Bremsflüssigkeit aus. Zu unserer Schande müssen wir gestehen das es schon verdammt lange her ist, seit dem hier irgendjemand tätig war. Entsprechend dunkel sieht die Suppe aus welche wir aus den Bremsleitungen spülen. Ohne einen Helfer brauchen wir in jedem Fall ein Entlüftungsgerät sowie einen 11mm und einen 8mm Schlüssel.


 


Jetzt steht der Fiesta wieder auf seinen eigenen Füßen und sieht verdammt gut aus. So tief das es deutlich auffält, aber nicht so tief das es schon komisch wirkt oder die Reifen am Radlauf zu schleifen beginnen. Ob das neue Fahrwerk auch in der Praxis gut funktioniert könnnen wir jetzt noch nicht sagen - davon berichten wir dann beim nächsten Mal.

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