Montag, 27. Juni 2022

Captain Cook: International Parts-Car Rescue

 

Ein gutes Angebot ist auch dann ein gutes Angebot wenn man dafür ein bisschen weiter weg fahren muss. Zum Beispiel über 300km ins Ausland um ein Auto zu kaufen das seit mehreren Jahren nicht mehr gelaufen ist und höchstwahrscheinlich nur noch zum ausschlachten taugt. Aber irgendwie muss der Wagen auch noch bis nach Hause kommen und das ganz sicher nicht aus eigener Kraft. Leider sind unsere üblichen Zugpferde ein wenig unterdimensioniert für diese Aufgabe. Das ist ein klarer Fall für Captain Cook. 

 

 

Neben dem allgegenwertigen Rostbefall hat man als Fahrer eines Ford Sierra eigentlich nur ein weiteres (großes) Problem; die Ersatzteilversorgung. Zumindest wenn es um mehr als nur die üblichen Verschleißteile geht. Egal ob Kleinkram, elektrisches Zubehör, Karosserieanbauteile oder Tuning. Alles wird in guter Qualität zum vernünftigen Preis immer schwerer aufzutreiben. Darum ist es teilweise wirklich sinnvoll ein komplettes Auto zu kaufen und auszuschlachten - und manchmal muss dieses Auto noch nichtmal ein Sierra sein. Das Flaggschiff der frühen 90er, der Ford Scorpio ist in vielen Bereichen baugleich und kann ebenfalls als Teilespender dienen. 

 

 

So wie diese Limousine von 1993 mit Topausstattung und dem 2.9V6 Cosworth Motor. Allein der Antrieb rechtfertigt den Kaufpreis, der nachträgliche Umbau auf Schaltgetriebe macht das Angebot endgültig unwiderstehlich und die Verheißung auf diverse Ersatzteile die ebenfalls verkauft werden sollen, macht die Sache nur noch besser. Dafür fahren wir auch gerne eine Strecke von über 300km bis zur Rennstrecke von Spa-Francorchamps nach Belgien. Das Problem an der Sache ist jetzt nur noch das passende Zugfahrzeug welches mit den rund 1,5t des Auto plus 0,75t Anhänger plus unbekannt schwerem Teilepaket zurecht kommt und das souverän über diese lange Strecke inklusive Steigung und Gefälle. Selbst ein moderner Oberklasse Kombi kommt da an seine Grenzen, ein SUV wäre vielleicht in der Lage aber sicher nicht bequem. Ein Lieferwagen wäre sinnvoll, darf aber am Sonntag wenn wir Zeit haben nicht mit Anhänger bewegt werden. 

 


Unsere letzte Option ist ein Wohnmobil, das fällt nicht unter das Fahrverbot und hat je nach Modell auch eine echt ordentliche Anhängelast sowie das Eigengewicht um einen störrischen Anhänger in der Bahn zu halten. So wie der weiße James Cook von dem wir in der Vergangenheit schon mal berichtet haben. Es gibt nur einen Haken an der Sache und der ist zu schwach dimensioniert. Darum muss jetzt vor Reiseantritt noch schnell eine neue Anhängekupplung installiert werden. Dann kann die Anhängelast von 2000kg auf 2800kg erhöht werden, wäre die passende AHK damals beim Kauf gleich mitbestellt worden, dürfte der Mercedes das schon jetzt ziehen. Immerhin ist der Austausch beim Sprinter keine große Aktion. Zumindest wenn alle Schrauben mitspielen. 

 


Trotz des damals horrenden Neupreis ist die Lackqualität trotzdem nur auf dem Niveau eines normalen Lieferwagen, entsprechend haben sich nach über 20 Jahren doch einige Roststellen gebildet, zum Beispiel hinter der Stoßstange. Darum nutzen wir die Gelegenheit und bauen diese ebenfalls ab, entrosten und konservieren alles um danach die AHK zu tauschen. Eigentlich ist das nicht nötig und die Kupplung auch so demontierbar. Alles was wir dafür tun müssen ist die Anhängersteckdose abzuschrauben (3xSW8), Links und rechts am Längsträger jeweils vier Schrauben (SW19) zu entfernen und zum Schluss vier Schrauben im Heckblech (SW17) zu lösen. Achtung, die AHK ist ziemlich schwer und ein Helfer oder Wagenheber notwendig. 

 


Die neue Kupplung aus dem Zubehör kostet tatsächlich gar nicht so viel Geld, jedenfalls im Vergleich zu der für einen Kleinwagen. Statt bisher 13,7kN hat die Neue einen D-Wert von 15,3kN das reicht für ein 3,5t Auto mit 2,8t Anhänger aus. Beim Einbau gibt es keinen Unterschied zur Alten. Die Montage verläuft entsprechend genauso; M10 Schrauben bekommen 50Nm, M12 Schrauben 85Nm und M16 Schrauben 200Nm. An der Elektrik ändert sich nichts, darum beschränken wir uns dort auf einen Funktionstest; ein Anhänger wurde schon seit längerem nicht mehr hinter diesem Wohnmobil bewegt. Am nächsten Tag ist die Rostschutzgrundierung getrocknet und der Sprühlack im Originalton kann aufs Blech. Damit ist der technische Teil unseres Problems gelöst, jetzt müssen wir noch zum TÜV/KÜS/GTÜ/Dekra und zur Zulassungsstelle um nach §13 FZV eine Berichtigung der Fahrzeugpapiere machen zu lassen. Da es genau diese Option damals schon vom Werk aus gab ist das eine reine Formsache. 

 


Im Vergleich dazu sind die Vorbereitungen am Anhänger wirklich minimal; einmal die Reifen und Beleuchtung kontrollieren, dann sind wir schon startklar. Es zahlt sich manchmal einfach aus seinen Laden immer in Schuss zu halten und jederzeit bereit zu sein. Die Kiste mit den Spanngurten steht ebenfalls parat und die Mitfahrer bringen ihren Proviant selbst mit. Aprpopos Mitfahrer, damit die Reise nicht zu langweilig wird und genügend Helfer beim Aufladen vor Ort sind, fahren wir zur viert nach Belgien. Am Sonntag morgen um 10h beginnt die Reise, über die A2, A1 und A4 geht es an Aachen vorbei rüber nach Belgien. Unterwegs haben wir tatsächlich ausser diversen Baustellen keinerlei Behinderung, dafür sehen wir zunächst jede Menge alte Volkswagen die offenbar vom Treffen in Hessisch Oldendorf kommen und je näher wir in Richtung Rennstrecke kommen auch entsprechende Gespanne mit Rennautos auf der Ladefläche. 

 


Die Hinfahrt mit leerem Anhänger macht der Cook schon mal sehr souverän mit. Dank 156PS aus einem 2.7l Turbodiesel können wir nahezu jede Steigung ohne Geschwindigkeitsverlust meistern. Auch wenn in Belgien das Tempolimit bei 120kmh liegt begnügen wir uns mit 100 - im Zweifelsfall ist der Tailer nicht für höhere Geschwindigkeiten ausgelegt und so viel Zeit sparen wir heute auch nicht. Die letzten Kilometer über Landstraßen und in kleine Dörfer sind nochmal mit etwas Kurbelei verbunden, dann stehen wir endlich vor der Halle mit unserem neuen Schlachtauto. Wie wir vom Verkäufer erfahren war genau das auch schon sein Plan um den V6 Motor in ein Rennauto zu stecken. Daraus wurde nichts mehr und jetzt soll der Ford fort. 

 


Über den Preis war man sich schon vorher einig geworden, es stand nur noch offen ob der Wagen anspringt und der Motor irgendwelche ungesunden Geräusche nach zwei Jahren Standzeit macht. So lange ist er jedenfalls schon abgemeldet. Wie aus den alten (deutschen) Zulassungspapieren hervorgeht, hat der Scorpio mindestens einen Vorbesitzer der aus Minden kommt, also ganz bei uns in der Nähe. Vielleicht sollten wir noch eine letzte Fahrt dorthin machen bevor der Wagen endgültig zerlegt wird. Das wäre uns sogar das Geld für ein Kurzzeitkennzeichen wert. Aber hier und jetzt muss der Wagen erstmal auf dem Trailer verzurrt und die restlichen Teile eingeladen werden. Der große Kofferraum der Limousine macht sich schon bezahlt. Dann machen wir uns wieder auf den Rückweg. Leider finden wir unterwegs keine einige Pommesbude die geöffnet hat. Das heißt wir müssen wohl nochmal wiederkommen. 

 


Ohne besondere Vorkommnisse und mit einem ganz passablen Durchschnittsverbrauch von 12.16l/100km erreichen wir spät Abends wieder unsere Heimat. Trotz mehr Gewicht und entsprechend mehr Vollgasetappen sind wir überraschend sparsam unterwegs gewesen. Vielleicht sollten wir in Zukunft immer einen Familienausflug davon machen wenn irgendwo in Europa günstige alte Ford angeboten werden. Die Suche läuft schon wieder.

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