Freitag, 25. August 2023

My first Cadillac: Wir sollten einen Krankenwagen kaufen

 

Man lebt nur einmal. Und man hat nur einmal die Chance wirklich bescheuerte Dinge zu tun um zu testen ob sie uns glücklich machen oder nicht. So eine Chance präsentierte sich als ein kleiner grauer Kombi aus Bremerhaven abeholt werden sollte. Da dieser Wagen knapp 6,5m lang und vermutlich über 3 Tonnen schwer ist, kann er nicht auf dem Trailer nach Hause geholt werden. Das verlangt nach einem Roadtrip.


 

Die Vorgeschichte zu diesem hoffentlich erfolgreichen Ausflug beginnt vor einigen Wochen als auf der Webseite "bringatrailer.com" ein 1970er Cadillac Krankenwagen&Leichenwagen-Kombi angeboten wird. Eigentlich wollte MadMurdock sich bloß mal die 300+ Fotos anschauen. Dann ist das Interesse geweckt und die "Kauf mich Kauf mich" Sirene im Kopf geht los. Das kann man nicht ewig ignorieren und macht ein Gebot. Und wie das Schicksal es so will gewinnt er die Auktion und nachdem der Transport von South Carolina nach Bremerhaven organisiert ist ist, heißt es warten bis ein Schiff kommen wird auf dem ein Container voller Cadillac steht. 

 


Gestern war es dann endlich soweit. Morgens um 6h mit dem Auto zum Bahnhof, rein in den ICE in Richtung Hannover, dort umsteigen in den ICE nach Bremen und dann weiter im IC bis Bremerhaven. Wenn Bahnreisen immer so entspannt wären, könnten wir uns wirklich öfter so fortbewegen. Alle Züge pünktlich, funktionierende Klimaanlagen, genügend freie Sitzplätze und mit 200km/h übers Land brettern. Nicht ganz günstig, aber heute die beste Art um ans Ziel zu kommen (und wahrscheinlich schneller als der Krankenwagen jemals fahren würde). Nochmal im Taxi weiter bis in den Hafen zum Transportagenten. Dort müssen die letzten Papiere unterschrieben werden dann werden wir zum Abhollager gebracht. 

 

 

Diese Halle steht voll mit Autos die aus den verschiedensten Richtungen nach Bremerhaven gekommen sind. Egal ob Asian, Australien, Amerika oder Afrika. Von ganz aktuell bis richtig alt, heile und kaputt, alles ist dabei. Leider unter einer dicken Staubschicht, aber das schreckt uns nicht ab. Wenn wir könnten wie wir wollten müssten wir erstmal einen längeren Rundgang durch die Reihen machen. An die 100 Fahrzeuge waren es ganz sicher. Und draußen bei den RoRo-Schiffen parken dann auch nochmal tausende Neufahrzeuge und Vehikel die ein bisschen zu groß für einen Container sind. Demnächst müssen wir definitiv mal wieder eine Rundfahrt im Hafenbus machen. 

 


Jetzt und hier muss noch die Übergabeinspektion durchgeführt werden, also schauen ob beim Transport irgendwelche neuen Macken und Schäden dazugekommen sind. Alles sieht gut aus und wir könnten losfahren. Wenn der Motor denn starten würde. Wie der Verkäufer schon wusste hat der Wagen einen stillen Stromfresser der die Batterie auf Dauer leer saugt. Nach ein paar versuchen mit der BacktoLifeMaschine springt der 7,7L BigBlock V8 tatsächlich an und läuft sofort auf allen Pötten, dabei klingt er auch wie ein Schiffsmotor. Richtig gesunder klang. Ebenfalls gesund klingt die mechanische Sirene welche wir noch in der Lagerhalle testen müssen (draussen auf der Straße ist sowas ja leider nicht erlaubt). Allein dafür hat es sich schon gelohnt den Wagen zu kaufen. 

 


Sobald auch die roten Überführungskennzeichen angebracht sind und die lose Chromleiste der Hecktür sicherheitshalber demontiert und im riesigen Kofferraum verstaut ist, gehts raus auf deutsche Straßen. Natürlich wird so ein Auto nicht vollgetankt verkauft und natürlich braucht er nicht nur 5L auf 100km. Darum müssen wir als erstes bei einer Tankstelle anhalten. Die erste Füllung sind tatsächlich nur knapp 60L obwohl die Tankanzeige auf 1/4 steht. Entweder ist der Tank kleiner als gedacht oder die Anzeige spinnt. So oder so läuft der Wagen schonmal gut und bekommt die ersten Komplimente von den Leuten an er Tankstelle. So ein Krankenwagen ist eben sympathischer als ein Leichenwagen. Nachdem nochmal die komplette (normale) Beleuchtung und Reifen überprüft sind, müssen wir nur noch einmal beim Zoll anhalten wo die Papiere fürs Kennzeichen und die gezahlte Einfuhrsteuer kontrolliert werden.

 


Jetzt sind wir offiziell unterwegs nach Hause. Vor uns liegen einige Kilometer und Stunden in einem Auto mit Kunstledersitzen und offensichtlich nicht funktionierender (vorderen) Klimaanlage. Aber da ist okay weil die Freude am Fahren gerade wirklich alles andere in den Schatten stellt. Die riesige Motorhaube, die breite Sitzbank, die hohe Frontscheibe, das kleine Lenkrad welches mit dem kleinen Finger gedreht werden kann, der große Wendekreis. An alles muss man sich erstmal gewöhnen. Zum Beispiel auch das an der Ampel einfach der Motor aus geht und nicht wieder anspringen will weil die Batterie zu schwach ist. Bloß gut das wir eine ordentliche Starthilfebox dabei haben und zu zweit sind. Einer springt raus und öffnet die Haube der andere bleibt drin und startet durch. Hoffentlich lädt die Batterie sich noch genügend auf damit wir normal weiterfahren können. 

 


Auch auf der Autobahn macht die alte Dame einen guten Eindruck. Bis Tempo 140 kann man problemlos hochziehen ohne das der Motor angestrengt klingt oder das Fahrverhalten eierig wird. Wenn die Versandpapiere stimmen soll der Caddy angeblich 3600kg wiegen. Das können wir nicht so recht glauben. Solange die Fenster ein Stück offen bleiben kann man die Temperaturen im Auto sogar halbwegs ertragen. nur das Gerappel vom Equipment im Laderaum stört etwas. Aber das ist der Preis wenn man einen fast vollständigen Leichenwagen/Krankenwagen von 1970 bewegen will. Tatsächlich ist das eine der besonderheiten dieses Fahrzeug. Von Cadillac wurde nur das Fahrgestell mit Aufbau bis zum Armaturenbrett geliefert und dann von einem Aufbauhersteller (hier Miller Meteor) vervollstänigt. 

 


 

Dabei kann der Kunde sich ziemlich viele Details genau nach seinen wünschen aussuchen. Zum Beispiel auch ob es ein Leichenwagen mit schwarzem Vinyldach und kleinen Seitenfenstern sein soll oder ein Krankenwagen mit Hochdach, rundumverglasung und Klappsitzen hinten. Von der Lackierung und Sondersignalanlage ganz zu schweigen. Vor fünfzig Jahren war es noch nicht selbstverständlich das jede Gemeinde einen eigenen Rettungsdienst ausserhalb der Feuerwehr hat. Wenn ein Unfall passiert, kommt die Ambulanz, lädt die Patienten ein und versucht zum nächsten Krankenhaus zu fahren bevor sie sterben. Das war alles was sie tun konnten, viel Erste Hilfe unterwegs gab es nicht und die Betreiber waren in der Regel private Unternehmen. Da sich so ein teures Fahrzeug bei geringer Auslastung einfach nicht lohnt, wurden diese Zwitter gebaut die sowohl für Bestattungen als auch für Rettungen eingesetzt werden können.

 


Einfach das Blinlicht vom Dach nehmen, die Vorhänge runter rollen und schon kann auch dieser Job übernommen werden. Irgendwie muss man ja Geld verdienen. Irgendwann wurden die Anforderungen an einen Krankenwagen geändert so das sie mehr Platz für Medikamente, Sanitäter und Patienten boten. In Verbindung mit der Verkleinerung des amerikanischen FullSize-Automobil gab es einfach keinen Markt mehr für diese Art von Krankentransporter. Nur als Leichenwagen sind sie bis heute im Einsatz wobei zumindest in Europa mittlerweile vermehrt normale Lieferwagen eingesetzt werden. So viel zum Thema "das letzte Auto ist immer ein Kombi". Unser Kombi schnurrt derweil wie ein Kätzchen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Bremen um nochmal die Flüssigkeiten zu kontrollieren und den losen Anschluss an der Batterie festzuziehen geht es weiter Richtung Heimat. 

 


Unterwegs gelangen wir zeitweise auch in stockenden Verkehr, mangels Temperaturanzeige können wir aber nicht sagen ob der Motor zu heiß wird. Wir hoffen einfach mal das alles in Ordnung ist und fahren weiter. Die Versuchung ist groß einfach das Blinklicht und die Sirene einzuschalten und durch die Rettungsgasse zu brettern. Aber so skrupellos sind wir dann doch nicht. Gerüchteweise haben Tunnel aber eine sehr schöne Akkustik und eignen sich toll um die verschienenen Warntöne mal auszuprobieren. Haben wir jedenfalls gehört. Bis zum nächsten Tanksktopp kommen wir weiter gut vorran. Da wir nicht wissen ob dieTankanzeige funktioniert und wie durstig der Wagen nun wirklich ist, halten wir nach 160 km zum Tanken. Die Messung ergibt ziemlich genau 24,6L auf 100km. Gar nicht so wenig aber noch unter unseren Erwartungen. 

 


Am späten Nachmittag landen wir endlich in der Heimat. Bevor es zur Werkstatt geht wo die nötigen Umbauten für die deutsche Straßenzulassung erfolgen sollen, halten wir noch schnell bei einer Genossenschaft an um die Waage zu benutzen. Ohne Insassen, mit Ausrüstung und ca. 3/4 Tank wiegt das Schlachtschiff genau 2880kg. Damit können wir doch was anfangen. Bei theoretisch fünf Sitzen (und einem Liegeplatz) brauchen wir wenigstens 375kg Zuladung um alle Plätze benutzen zu dürfen. Und damit ein normaler Autoführerschein ausreicht darf das Gesamtgewicht nicht über 3500kg liegen. 


 

Völlig durchgeschwitzt und etwas müde stellen wir den Wagen ab und fahren in einem aktuellen Volvo nach Hause. Im Vergleich kommt uns das SUV winzig klein aber auch pfeilschnell vor. Für den Alltag ist so ein Flugzeugträger auf Rädern ganz sicher nichts. Aber sobald die Klimaanlage wieder läuft könnte man definitiv zum einen oder anderen Oldtimertreffen fahren - solange genug Mitfahrer dabei sind um die Spritkosten zu teilen. 

 

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