Bereits vor einigen Monaten fiel mir an einer roten Ampel der unstete Motorleerlauf des Normalpassats auf. Beim Treten der Kupplung sackte die Drehzahl tief herab, auf etwa 450 Umdrehungen, die den Motor für einen kurzen Augenblick zum Schütteln brachten, ehe die Drehzahl wieder nach oben kletterte und sich bei etwa 750 bis 800 Umdrehungen stabil einpendelte. Zunächst blieb diese eine Situation an der Ampel die Ausnahme. Inzwischen sind diese Bungee-Jumping- und Jojospiel-Aktionen aber die Regel. Jetzt, wo die Temperaturen draußen kalt sind und der Motorleerlauf in der ersten Minute aufgrund von Kondensationseffekten eh schon erschwert ist, führt das Anhalten in der Regel sogar zum Absterben des Motors. Höchste Zeit dem Ganzen auf den Grund zu gehen.
Es ist mal wieder so ein Fehler, der viele Ursachen haben kann und weniger eindeutig ist. Natürlich macht man sich als ambitionierter Hobbyschrauber schon so seine Gedanken, was sich für eine Ursache hinter diesen Symptomen verbergen kann. Aber ob diese auf Anhieb stimmen? Meinen ersten Gedanken verlor ich direkt an den Leerlaufsteller. Dieser regelt schließlich die Drehzahl während des Leerlaufs und hält sich während der Fahrt, wo es sonst keine Probleme gibt, eher bedeckt. Es würde einfach sehr viel Sinn ergeben, wenn er schuld wäre. Eine zweite Meinung ist jedoch hilfreich um meine Vermutung zu bestätigen. Doch wen fragt man, wenn gerade kein anderer erreichbar ist? Richtig, man befragt das Internet.
Hierbei kommt mir zugute, dass mein Normalpassat schon ein paar HU-Perioden älter ist. Die Passat-Community ist aktiv im Internet vertreten und modelltypische Probleme sind bei anderen Fahrern auch schon in Erscheinung getreten. Die Suchbegriffe "AGG" (der Motorcode) und "Leerlauf" ergaben einige Ergebnisse. Auch mein Fehler mit dem starken Drehzahlabfall und dem Wiederauffangen taucht exakt so auf und wird mehrfach beschrieben. Es sei ein bekanntes Problem bei diesem Motor. Mit der Zeit verdreckt die Drosselklappe, wodurch eine Regelung der genauen Luftzufuhr erschwert wird und zu Schwankungen in der Drehzahl führt. Indirekt hatte ich also mit meiner Vermutung recht, denn der Leerlaufsteller ist beim AGG-Motor in die Drosselklappe integriert und nicht separat von ihr. Das dürfte ja eine hoffentlich einfache und günstige Reparatur sein. Erleichtert und erfreut, dass nichts Schlimmeres als meine Vermutung hinter dem Problem steckt, machte ich mich mit Werkstatttüchern, Bremsenreiniger, Schraubenzieher und Zange ans Werk, um mir den Weg zur Drosselklappe zu bahnen und dort einen schnellen Frühjahrsputz durchzuführen. In der Drosselklappe fand sich auch erwartungsgemäß einige Verschmutzung, die mit einem Wisch schnell weggeputzt war. Doch viel besorgniserregender war der Fund von gelbem Schleim in den Schläuchen der Kurbelgehäuseentlüftung.
Kurbelgehäuseentlüftung (KGE)
Diese Entlüftungsschläuche sind sehr wichtig für jeden Verbrennungsmotor. Vorrangig sorgen diese für den nötigen Druckausgleich im Kurbelgehäuse unterhalb der Kolben. Sollte sich hier Druck stauen, hätte dies fatale Folgen für die Funktion und Lebensdauer des Motors. Zusammen mit den entstehenden Öldämpfen muss dieser Druck über die Schläuche zur Drosselklappe geführt werden. Zusammen mit der angesaugten Frischluft werden diese dann im Verbrennungsraum (oberhalb der Kolben) verbrannt. Da an der Drosselklappe jedoch eine große Sogwirkung herrscht, wird zur Regulierung eine Membrane zwischengeschaltet, die Druck- und Saugunterschiede zwischen Drosselklappe und Kurbelgehäuse etwas ausgleichen kann. Wie man auf den Fotos gut erkennt, ist der Leitungsquerschnitt stark minimiert. Hier ist kaum noch eine gute Zirkulation möglich. Gelber Schleim hat die Wandungen der Schläuche annektiert. Ein klares Zeichen für Wasser im Öl. Doch wie kann das sein?
Wasser im Öl?
Auf den ersten Blick hat es mir schon einen Schrecken beschert. Wasser und Öl mischen sich im Motor eigentlich nur wenn ein Zylinderkopfdichtungsschaden vorliegt und das ist mitunter eine aufwändige Reparatur, da hierfür der Motor bis zum Rumpf auseinandergenommen werden muss. Allerdings gab es keine weiteren Anzeichen, denn andersherum müsste auch im Kühlwasserbehälter Öl zu finden sein. Außer dem Rot des G12+ Kühlerfrostschutzmittels war dort allerdings keine Trübung zu erkennen. Auch der Öldeckel zeigte keine weiteren bräun-gräulichen Verfärbungen und im Öleinfüllstutzen schien auch alles tiefschwarz - Also Entwarnung! Deshalb muss es sich hierbei um Kondenswasser handeln. Die heißen Öldämpfe steigen auf und treffen auf die kühlen Leitungen, wo sie kondensieren. Sollte ein Wagen daher häufig im Kurzstreckenbetrieb gefahren werden und die Flüssigkeit und Bauteile kommen nicht auf die erforderliche Temperaturen um das Kondensat wieder verdampfen zu lassen, bildet sich mit der Zeit solcher Schleim. Einige Autohersteller bauen aus diesem Grund in ihre Fahrzeuge Heizungen in die Leitungen der Kurbelgehäuseentlüftung ein, um ein Kondensieren zu verhindern. Der Passat hat eine solche Vorrichtung jedoch nicht.
Angesicht der Tatsache dass der Passat inzwischen über 20 Jahre alt ist und bereits einige Vorbesitzer hatte, bin ich wohl der Erste der hier nachschaut. Zwei Jahrzehnte sind eine ausreichend lange Zeit, um viel Schleim anzusammeln. Aus der anfänglich geplanten Reinigung der Drosselklappe wird nun doch ein ganzer Frühjahrsputz. Da der Motorraum des Passats erfreulich einfach aufgebaut ist und die meisten Bauteile gut zu erreichen sind, waren die Leitungen schnell demontiert. Ich erinnere mich da noch an den Austausch selbiger KGE-Membran beim E38, die sich aufgrund der Einbauposition (am V8-Motor an der Rückseite) äußert schwierig und aufwendig gestaltete. Einige Sprühstöße Bremsenreiniger und viele Meter Werkstatttücher später, waren dann die Leitungen schnell gereinigt. Eine Ausnahme bildete jedoch die Membrane, die oben auf dem Ventildeckel befestigt ist. Sie steckt mit samt einem weiteren einzelnen Stutzen und Dichtung im Ventildeckel und war beim Versuch die beiden Schläuche vorne zu lösen bereits angebrochen. Das Material ist aufgrund des Kontaktes mit dem Öl und den Temperaturen äußert Spröde und nur der kleinste Versuch die Membran herauszuhebeln, ließ diese komplett abbrechen. Nun steckte der abgebrochene Stutzen mitsamt verhärteter Dichtung im Ventildeckel und mit jedem Schritt wurde die Gefahr größer, dass der abgebrochene Stutzen in die Ventile fällt. Schließlich kam es auch so. Mit Zange, Pinzette und Co war kein Herankommen mehr möglich. Jetzt hilft nur noch eines: Der Ventildeckel muss runter und das abgerbochene Stück Plastik herausgeholt werden.
Halten wir also fest: Aus einem anfänglichen "Frühjahrsputzt" wurde nun ein "Ach du Scheiße, ich brauche eine neue Membrane und eine neue Ventildeckeldichtung!". Es ist Samstagmittag und beim Blick zur Uhr stand fest, dass der Passat in nächster Zeit nicht fahren wird. Doch im gleichen Moment blickte ich dann ein weiteres Mal sorgenvoll zur Uhr. Gibt es überhaupt noch eine neue Membrane bei VW zu kaufen? In den letzten Monaten habe ich diesbezüglich sehr schlechte Erfahrungen machen müssen. Immer wieder sind Teile ersatzlos entfallen und auch über VW-Classicparts nicht mehr lieferbar. Zehn Minuten hat der örtliche VW-Teiledienst noch geöffnet. Schnell anrufen und wenigstens nachfragen, ob die Membrane noch Lieferbar ist. Auch hier wieder Entwarnung. Sogar die Dichtung ist noch Lieferbar. Zusammen mit der nun noch nötigen Ventildeckeldichtung sind mal wieder rund 100 Euro fällig. So schnell kann ein Frühjahrsputz ins Portemonnaie gehen. Bestellen konnte ich die Teile am Telefon leider nicht. Seit dem viele schwarze Schafe die Teile bestellt und nicht abgeholt haben, wird nur noch gegen Vorkasse bestellt. Das muss ich dann im Laufe der kommenden Woche nachholen. So lange hat der Passat Funkstille und darf sich in der Garage ausruhen, während die Kuh auf die Weide geschickt wird. Wo wir gerade dabei sind . . . . der Kuh würde eine neue Ventildeckeldichtung ebenfalls nicht schaden!
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