Freitag, 28. Dezember 2018

Auf dem Autofriedhof in Båstnäs Schweden


Den Sommerurlaub in Schweden zu verbringen ist keine schlechte Idee. Solange man sich mit den Mücken und Lebensmittelkosten arrangieren kann bietet das Land viel Abwechslung vom stressigen Alltag im dicht besiedelten Deutschland. Frische Luft und grüne Wälder können für einen Autonarren nicht alles sein. Darum muss unbedingt noch der wohl größte Autofriedhof des Landes besucht werden. So etwas gibt es hier in der Heimat nirgendwo.


450km von Stockholm und 250km von Göteborg entfernt, direkt an der Grenze zu Norwegen und mitten im Niemandsland liegt der Schrottplatz/Automuseum/letzte Ruhestätte.Wahrlich kein Ort den man mal eben spontan besuchen würde. Aber so nah wie jetzt sind wir nur selten. Mit der Fähre von Puttgarden nach Rødby würde die Anreise knapp 13 Stunden dauern. Weil es unterwegs noch viele Gründe gibt von der direkten Route abzuweichen und das Ganze kein Marathon sondern ein Urlaub sein soll, vergehen mehrere Tage bis wir am Ziel ankommen. 



Auf den letzten Kilometern kündigen keinerlei Schilder diese lokale Sehenswürdigkeit an, wer hier hin kommt weiß was er sucht und wenn man erstmal davor steht kann man den Autofriedhof gar nicht mehr verfehlen. Die Straßenverhältnisse sind auch weit ab von den größeren Städten noch so gut dass es keinen Geländewagen braucht. Unser Reisemobil ist ein Hyundai H1 Lieferwagen mit normaler Bodenfreiheit und Ganzjahresreifen. Nur ein vollwertiges Reserverad sollte man im Zweifelsfalle doch lieber mitnehmen. Hier draußen könnte es länger dauern bis der Pannendienst kommt oder ein passender Ersatzreifen aufgetrieben wird. 



Je nachdem zu welcher Jahreszeit und an welchem Wochentag man nach Båstnäs kommt ist es hier entweder ziemlich totenstill oder richtig totenstill. Abgesehen von anderen Touristen und Fotografen verirrt sich sonst kaum ein normaler Mensch hierher. Dafür sind in den Bäumen ringsherum diverse Vögel zu hören. Das Wohnhaus mitten auf dem Autofriedhof sieht unbewohnt aus. Die kleine Schilder an der Einfahrt erlauben das Betreten und Fotografieren, aber Sachbeschädigung oder Souvenirs mitnehmen ist streng verboten. Dann wollen wir mal schauen was es hier so zu finden gibt.


Allein auf dem ersten großen Feld das direkt an die Straße angrenzt befinden sich geschätze 40 Fahrzeuge. Darunter fast alle europäischen Hersteller von BMW bis Volvo. Wobei die Marken Volvo und Saab natürlich besonders häufig vertreten sind. Nicht nur die Marken und Modelle sind vielfältig, auch das Alter der Fahrzeuge schwankt stark. Die meisten Autos scheinen aus der Zeit zwischen 1950 und 1970 zu stammen. Neben den Pkws finden sich vereinzelt auch Lieferwagen, Busse und Landmaschinen im Gebüsch. 



Ohne eine genaue Kenntnis darüber zu haben wer diese Sammlung aufgebaut hat und warum die Autos nach der langen Zeit noch immer hier herum stehen, kann man nur Mutmaßungen anstellen. Es handelt sich ganz sicher nicht um eine wilde Müllkippe. Schließlich finden sich in den kleine Lagerhütten ordentlich sortierte Stapel von Kardanwellen, Scheinwerfern und Getrieben. Und um die Schrottautos drei Lagen hoch aufzustapeln braucht es schweres Gerät, das vermutlich niemand einfach so rumstehen hat. Eine Theorie ist dass die Fahrzeuge von amerikanischen Soldaten bei ihrem Abzug zurückgelassen wurden. Allerdings hat diese Idee Lücken, da niemals Truppen der US Armee in Schweden stationiert waren.



Die zweite und wesentlich einleuchtende Theorie geht davon aus das mit dem Wechsel von Linksverkehr auf Rechtsverkehr am 3. September 1967 in Schweden eine große Anzahl von Autos plötzlich das Lenkrad auf der falschen Seite hatten und nicht mehr attraktiv waren. Abgesehen vom Einbauort der Lenkung konnten die Autos als Teilespender für andere Fahrzeuge genutzt werden. Vielleicht sah jemand darin die Chance günstig einen Haufen alte Autos zu erwerben und mit dem Ersatzteileverkauf eine goldene Nase zu verdienen. Aber auch diese Erklärung ist nicht 100% wasserdicht da schon vor dem Stichtag eine große Zahl der Fahrzeuge in Schweden das Steuer auf der linken Seite hatten, zum einen weil in den Nachbarländern Rechtsverkehr galt und weil viele Autohersteller gar keine Rechtslenker-Variante anboten. Folglich hat ein großer Teil der Autos auf dem Schrottplatz das Lenkrad ebenfalls auf der linken Seite.



Vermutlich werden wir niemals genau herausfinden können warum dieser Autofriedhof damals entstanden ist, aber das spielt hier und jetzt keine Rolle. Wir sind vom Anblick und der Atmosphäre zu überwältigt um einen Gedanken daran zu verschwenden. Viel lieber Spinnen wir die Gedanken welches der Autos wohl am ehesten wieder fahrbereit gemacht werden könnte. Einige haben noch vollständige Motoren inklusive Batterie und intakte Innenausstattung obwohl ein oder mehrere Fensterscheiben fehlen. Offenbar haben sich bis jetzt die meisten Besucher an die Benimmregeln gehalten und keine Teile mitgehen lassen oder zerstört.


Hoffentlich bleibt diese automobile Zeitkapsel noch möglichst lange für die Nachwelt erhalten. Vielleicht kommen wir ja irgendwann wieder vorbei und können den Fortschritt der Natur bei der Rückeroberung des Geländes betrachten. So wie es aussieht hat hier schon seit vielen Jahren kein Mensch mehr aktiv in den Lauf der Dinge eingegriffen und das ist auch gut so.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Absenden eines Kommentars bestätigst du, die Datenschutzerklärung (https://schlagzeilenkaefer.blogspot.com/p/impressum.html) zur Kenntnis genommen zu haben.

Mit Absenden deines Kommentars werden Name, E-Mail, Kommentar, URL, IP-Adresse und Zeitstempel in einer Datenbank gespeichert. Du kannst Deine Kommentare natürlich später jederzeit wieder löschen lassen

Indem du mir einen Kommentar hinterlässt, erklärst du dich AUTOMATISCH mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch diese Website einverstanden!

Dieser Blog ist mit Blogspot erstellt und wird von Google gehostet.
Es gelten die Datenschutzerklärung und Nutzungsbedingungen für Googleprodukte.