Freitag, 21. Dezember 2018

Das erste Mal...VW Käfer fahren

Mit 30 Jahren sind Autos im allgemeinen Reif für das H-Kennzeichen. Damit wird der Umwelt signalisiert das es sich hier nicht bloß um einen alten Gebrauchtwagen handelt der irgendwie immer noch nicht auf dem Schrottplatz gelandet ist, sondern um ein erhaltenswertes Stück Altblech das hoch offiziell als automobiles Kulturgut anerkannt wurde. Schade eigentlich das es sowas nicht auch für Menschen gibt. Stattdessen müssen wir den 30. Geburtstag irgendwie anders feiern. 



Früh morgens geht es auf die Autobahn in Richtung Hannover. Bis jetzt weiß nur einer von uns beiden wo die Reise hin gehen wird. Im Kofferraum sind Proviant und Klamotten für zwei Tage. Das sollte wohl reichen für alle Fälle. Nach knapp 70min Fahrzeit wechseln wir auf die B64 und nähern uns weiter dem geheimen Reiseziel. Hier wird es langsam spannend, die Schilder am Straßenrand kündigen es bereits von Weitem an "PS Speicher Einbeck" damit dürfte wohl klar sein wohin wir wollen. Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit.


Auf dem Parkplatz des Museum nehmen wir eine kleine Stärkung zu uns und dann nichts wie rein in den alten Kornspeicher. Am Infotresen werden wir bereits erwartet. Statt der Eintrittskarten gibt es ein Klemmbrett mit einem Mietvertrag den wir unterschreiben müssen und schon halten wir einen Zündschlüssel in Händen der vom Aussehen her gut in einen VW Golf II oder Transporter T3 passen könnte. Stattdessen steht draußen vor dem Hallentor ein hellblauer VW 1200 Käfer aus Mexiko von 1985. Damit wollen wir heute die Straßen rund um das Museum erkunden.


Nach einer kurzen Einweisung dürfen wir hinters Steuer und endlich los fahren. Noch bevor der Motor läuft sind wir uns sicher dass dieser Tag ganz besonders sein wird. Das Wetter könnte nicht besser sein, der Tank ist voll und wir haben alle Zeit der Welt und kein bestimmtes Ziel zu dem wir hin müssen. Die Platzverhältnisse im Innenraum lassen zumindest auf eine recht bequeme Fahrt hoffen. Die Kopf und Beinfreiheit ist phänomenal, nur in der Breite könnten es gerne ein paar cm mehr sein. Immerhin können wir uns so während der Fahrt aneinander und an der B-Säule abstützen um den fehlenden Seitenhalt der originalen Sitze auszugleichen.


Der Korb mit dem Proviant wird stilecht im hinteren Kofferraum verstaut und dann beginnt die Spritztour. Der 1184ccm große Boxermotor mit Vergaser lässt sich eigentlich ganz leicht starten, man muss nur daran denken das Gaspedal einmal ganz bis zum Bodenblech durchzudrücken um die Startautomatik zu aktivieren. Dabei rastet der Choke selbstständig ein und öffnet sich wieder wenn der Motor auf Betriebstemperatur kommt. Schade das der weiße Kadett von 1988 dieses System (noch) nicht an Bord hat. Der satte Motorsound und die Good Vibrations würden dem Opel ebenfalls gut zu Gesicht stehen.




Sobald die Füße auf den drei kleinen stehenden(!) Pedalen sortiert und mit dem kurzen Schalthebel zielsicher nach dem ersten Gang gesucht wurde, setzen der Käfer und wir uns in Bewegung. Es braucht gar nicht viel Gas damit der Wagen zügig vorran kommt. Zumindest fühlt es sich so an. Ohne Drehzahlmesser und mit wenig Geräuschdämmung zum Maschinenraum klingt der Wagen schneller als er wirklich fährt. Der zweite Gang lässt sich fast genau so "leicht" einlegen wie im Audi wenn das Getriebeöl noch kalt ist, das muss wohl Tradition sein im VAG Konzern.


Anstatt auf eine der vorgeplanten Routenempfehlungen vom Museum zurückzugreifen, wollen wir die Umgebung auf eigene Faust erkunden und entscheiden ganz spontan wohin die Reise gehen soll. Im Zweifelsfall immer dorthin wo die Landschaft vielversprechend ausschaut. So kommen wir mit reichlich Umwegen, über schöne Landstraßen auf denen uns niemand überholt, am Fuß der Burg Plesse in Bovenden an. Der Anstieg dort hin brachte uns schnell auf den Boden der Tatsachen zurück; mit 34PS im Rücken kommt man einfach nicht so schnell vorran wie man gerne will. Nach dem Fahrerwechsel geht die Reise weiter in Richtung Northeimer Seenplatte wo wir ein Picknick machen.


Mittlerweile ist es fast schon Mittag und die Sonne brennt heiß vom Himmel. Mangels Klimaanlage müssen wir mit den Ausstellfenstern vorlieb nehmen. Schon bei relativ niedrigem Tempo kann so eine angenehmer Luftzug im Innenraum erzeugt werden. Nur im Stau vor der Ampel wird es dann doch arg warm. Nicht nur deshalb vermeiden wir alle größeren Ortschaften und fahren die meiste Zeit auf irgendwelchen schmalen Landstraßen die zu dieser Tageszeit sonst kaum jemand benutzt. Mit dem Arm auf dem Fensterrahmen und einem Grinsen im Gesicht fahren wir immer weiter durch die Landschaft. Dabei bietet sich auch die Gelegenheit mit 100 von maximal 115 möglichen km/h zu fahren. Abgesehen von den lauten Wind und Motorengeräuschen macht der Käfer seinen Job wirklich gut. Sofern man mit den hohen Bedienkräften an Lenkrad und Bremspedal klar kommt (keine Servo-Unterstützung) und das nackte Armaturenbrett mit seinen wenigen Schaltern nicht zu karg ist, spricht nichts dagegen dieses Auto im Alltag zu fahren.


Zumindest bis zu dem Zeitpunkt als wir mal wieder vor einer Ampel warten müssen. Kaum ist der Motor auf Standdrehzahl runter gekommen, geht er einfach aus. Kein Stress. Einfach den Motor neu starten und schon geht es weiter. An der nächsten Ampel wiederholt sich das Schauspiel. Der Motor will bei Leerlaufdrehzahl einfach ausgehen. Also gut, dann müssen wir wohl einfach mit dem Fuß etwas Gas geben damit der Motor läuft. Mit der passenden Fußtechnik klappt es auch beim Bremsen und Schalten den Motor weiter bei Laune zu halten. Alternativ kann der Beifahrer dank des offenen Fußraumes einfach mit dem linken Fuß ans Gaspedal reichen und dort mithelfen. Fast so gut wie ein Tempomat. Wir versuchen das Problem natürlich trotzdem zu lösen. Also fahren wir zur nächsten Tankstelle und füllen den Tank auf, vielleicht hilft das ja auch schon. Wäre nichts ungewöhnliches bei Vergasermotoren.


Leider fruchtet dieser Ansatz nicht und so geht es mit dem Steptanz über alle drei Pedale munter weiter durch die Gegend. Natürlich könnte man versuchen die Leerlaufeinstellung am Motor ein wenig nachzujustieren. Aber das hier nicht unser eigener Wagen ist lassen wir besser die Finger davon und beschränken uns darauf am Ende des Tages bei der Rückgabe ausfühlich Bericht zu erstatten.  Nach 8 Stunden Mietdauer stehen noch nicht einmal 250km auf dem Tacho und 30l auf der Zapfsäulen-Anzeige müssen wir uns leider wieder von unserem luftgekühlten Begleiter trennen. Wie gut das es im Fuhrpark des Museum noch einige weitere Oldtimer gibt die man sich in Zukunft auch mal mieten könnte. Nur auf den Fiat 500 werden wir wegen der Größe wohl doch lieber freiwillig verzichten.


Obwohl wir eigentlich den ganzen Tag nur entspannt mit dem Auto durch die Gegen gefahren sind, macht sich die Müdigkeit langsam bemerkbar. Nach einer Pizza auf die Hand begeben wir uns ins Hotel um am nächsten Tag wieder fit zu sein, schließlich ist unser Programm noch lange nicht zu ende. Im Mietpreis für einen der Oldies ist auch der Eintritt für den PS Speicher inklusive. Natürlich wollen wir uns dieses Angebot nicht entgehen lassen und sind passend zur Öffnung des Museum wieder am Start. Seit unserem letzten Besuch im April hat sich die Sonderausstellung schon wieder geändert. Aktuell sind Klein- und Kleinstwagen aus verschiedenen Epochen ausgestellt. Selbst ein Renault Twingo stand zwischen den anderen Fahrzeugen. Sind die wirklich schon Museumsreif?


Mit allen Nebenräumen kann man leicht mal fünf Stunden in diesem Museum verbringen. Aber das ist noch lange nicht genug für uns! Auf dem Hinweg haben wir ein Schild passiert das unsere Neugierde geweckt hat "Motorrad Museum Gutshof Wickensen" - das müssen wir uns genauer anschauen. Gegen eine kleine Gebühr erhalten wir Zutritt in die wohl größte private Sammlung von NSU Motorrädern und Leichtkrafträdern Deutschlands. Geschätze 100 Zweiräder und ein paar Autos stehen hier dicht gedrängt neben alten Werbetafeln und Werkzeugen in den umgebauten Hallen des Gutshofes. Auch hier kann man schnell ein paar Stunden Lebenszeit verbringen.

Satt an Bildern und neuen Eindrücken fahren wir am späten Nachmittag zurück in die Heimat. Für einen Kurzurlaub wirklich keine schlechte Bilanz. Vielleicht können wir diese Aktion in der Zukunft ja nochmal wiederholen.

Öffnungszeiten: Dienstab bis Freitag von 10 bis 17 Uhr. Samstag und Sonntag von 10 bis 18Uhr. (Vom 1.11. bis 31.03)
Eintritt: Erwachsene 12,50€, Ermäßigt 7,50€
Anschrift 
Tiedexer Tor 3
37574 Einbeck

Öffnungszeiten: Freitag, Samstag, Sonn- und Feiertage ab 11 Uhr. Von April bis Oktober
Eintritt: Erwachsene 4€
Anschrift 
Wickensen 16
37632 Eschershausen

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