Freitag, 13. November 2020

Heiße Bremsen beim Kia Rio heilen

 

 

Nicht erst seit dem viele Arbeitgeber ihr Personal im Homeoffice arbeiten lassen stehen manche Autos etwas länger rum bis sie mal bewegt werden. Das ein Fahrzeug dafür nicht gemacht ist und auf dauer Schäden davon tragen kann ist leider auch nichts neues. Egal ob die Batterie irgendwann zu schwach ist den Motor zu starten, die Reifen eckig werden oder die Bremse festgammelt. Letzteres betrifft auch diesen Kia Rio.

 


 

Ursprünglich lautete die Beschreibung noch "riecht irgendwie nach Kabelbrand" und wurde dann auf "eine Felge hinten wird ganz heiß wenn man länger fährt" geändert. Damit können wir doch was anfangen. Offenbar löst die Bremse am linken Hinterrad nicht mehr richtig. Das erklärt den vielen Bremsstaub und warum alles heißläuft. Die Frage ist jetzt wo der Fehler liegt; Bremsseil der Handbremse festgegammelt? Bremszylinder im Sattel verkeilt? Bremsbeläge im Träger festgerostet? Nachstellmechanismus der Handbremse hakt? Schauen wir doch mal auf der Hebebühne genauer nach. 

 


Mit bloßen Händen lässt sich das betroffene Rad kaum noch drehen. Klar das hier die Bremse heiß wird. Hätte der Kia eine Trommelbremse an der Hinterachse würden wir jetzt erstmal versuchen das Problem wie beim Spezialpassat mit gezielten Hammerschlägen auf die Trommel zu lösen. Mit Scheibenbremsen brauchen wir da gar nichts zu versuchen. Mit einer großen Zange auf dem Hebel der Handbremsechanik gelingt es uns nicht diesen ganz zurück in Ruhestellung zu drücken, das ist schon mal ein wichtiges Indiz. Aber ob der Hebel so steht weil das Bremsseil festsitzt oder die Mimik im Sattel klemmt wissen wir immer noch nicht. 

 


Mangels Zeit und Werkzeug können wir hier an Ort und Stelle den Sattel nicht einfach abbauen und auf der Werkbank testen bzw zurückdrücken. Stattdessen wollen wir das Handbremsseil als Verdächtigen ausschließen damit wir die richtigen Ersatzteile für eine spätere Reparatur besorgen können. Dazu muss das Seil ausgehängt werden. Am Sattel geht das gerade nicht weil es dafür zu straff gespannt ist. Also müssen wir wohl oder übel das andere Ende vom Seil, im Innenraum unter der Mittelkonsole, lösen und aushaken. Wenn man irgendwo gestrandet ist und wirklich sicher ist das es am Seilzug liegt könnte man auch versuchen das Seil durchzuschneiden oder der kleinen Hebel mit Gewalt aufzubiegen, aber so nötig haben wir es heute noch nicht.

 


Die Mittelkonsole besteht aus zwei großen Sektionen die nacheinander demontiert werden müssen. Als erstes wir den Oberteil mit dem Schaltsack lösen. Dazu den Schaltknauf abschrauben (rechtsgewinde) und den ganzen Rahmen nach oben hoch ziehen. Der größere untere Teil wird vorne beim Zigarettenanzünder links und rechts von jeweils einer Schraube (SW10) und Richtung Fußraum je einem Plastikdübel gehalten. Unter dem hinteren Cupholder befindet sich eine weitere Schraube (SW10). Unterhalb vom Handbremshebel sitzt eine kleine Abdeckung die abgezogen werden muss, sonst passt das ganze Teil später nicht über den Hebel. Beim Ausbau braucht es etwas geschick da die Mittelkonsole am Schalthebel, Handbremshebel und den Sitzwangen vorbei nach hinten und oben abgezogen werden muss. 

 


Ohne die Konsole im Weg sieht man wie die Seilzüge der Handbremse verlaufen. Jeweils ein Seil pro Hinterrad kommt aus dem Bodenblech und trifft sich an einem Waagebalken der über ein weiteres Seil mit dem Handbremshebel verbunden ist. Wir lösen die Spannmuttern soweit bis sich das Seil aushaken lässt. Sobald das andere Ende beim Sattel ebenfalls frei ist können wir prüfen ob der Seilzug selbst schwergängig ist, wie erwartet läuft alles widerstandslos. Also ist der Sattel unser Übeltäter. Der kleine Hebele am Bremssattel ließ sich auch ohne das Seil nicht wieder ganz zurückklappen.

 


Da wir nicht mehrmals die selben Teile zum Prüfen demontieren wollen, bestellen wir auf Verdacht einen neuen Sattel und neue Bremsbeläge für die Hinterachse. Die linke Seite ist jetzt schon deutlich stärker abgenutzt und wenn die Beläge einmal überhitzt sind lässt ihre Wirksamkeit deutlich nach. So viel kostet das Material nicht, da wollen wir lieber nicht am falschen Ende sparen. Nach nur einem Tag Lieferzeit hat unser lokaler Teiledealer alles was wir brauchen parat.


 

Im Grunde funktioniert die Handbremsmechanik genau so wie bei diversen Audi und VW Produkten. Insofern wundert es mich nicht wirklich das nach knapp 140tkm schon ein neuer Sattel fällig ist. Immerhin ist der Wechsel auch genau so leicht ohne Schlagschrauber und Hebebühne möglich. Das einzige Spezialwerkzeug sind Drehmomentschlüssel und Entlüftungsgerät. Als erstes lösen wir die Radschrauben an, dann heben wir den Kia mit dem Wagenheber an und stellen zur Sicherung Böcke unter. Der Bremssattel wird mit zwei kleinen Schrauben an den Führungsbolzen gehalten (SW13 u. 17) die wir beide lösen müssen. Anschließend haben wir den Seilzug der Handbremse am Hebel ausgehängt und das Sicherungsblech abgezogen mit dem das Seil am Sattel selbst fixiert ist. 

 

 

Nun hindert uns lediglich die Schraube vom Bremsschlauch dabei den Sattel abzunehmen. Mit einem Ringschlüssel lösen wir die Schraube und halten den Schlauch in ein Auffanggefäß damit die Bremsflüssigkeit nicht auf den Boden tropft. Der Sattel sollte sich ganz einfach abnehmen lassen, wenn nicht, hilft ein großer Schraubendreher. Das selbe gilt für die alten Bremsbeläge. Die Führungsbleche bauen wir ebenfalls aus und reinigen sie mit einer kleinen Drahtbürste. Jetzt können die neuen Beläge an den Kanten von der Trägerplatte dünn mit Bremsenpaste eingeschmiert und eingesetzt werden. Der Bremsschlauch wird mit neuen Kuperringen versehen und wieder festgeschraubt. Nun noch die beiden Schrauben vom Sattel mit Loctite betröpfeln und anziehen. Das Seil wieder einhagen und die Bremse entlüften. Rad drauf und fertig sind wir.

Abschließender Hinweis: Die Bremsanlage ist ein sicherheitsrelevantes Bauteil und ein wichtiger Beitrag zur Unfallvermeidung. Dabei kommt es auf alle Komponenten an. Wenn etwas nicht richtig funktioniert oder man sich selbst die Arbeit nicht zutraut sollte man nicht zögern und eine Werkstatt aufsuchen!!! Jeder Unfall ist teurer als die Reparatur einer Bremsanlage.

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