Kaum hat das neue Jahr angefangen und der Alltag kehrt langsam zurück, beschließt der Winter endlich mal seinen Job zu machen und uns etwas Schnee vor die Füße zu werfen. Was kann man an so einem Sonntag besser machen als die Scheiben vom Eis zu befreien und irgendwo hin fahren wo es warm und trocken ist und möglichst viele interessante Autos auf einem Haufen stehen? Uns ist irgendwie nichts eingefallen, darum rutschen wir zum PS.Speicher nach Einbeck um die Sonderausstellung über Muscle-Cars anzuschauen.
Auf die Gefahr unterwegs irgendwo im Schnee zu versacken haben wir uns statt des Insignia für den Jimny entschieden. Falls die Winterreifen und der Allradantrieb allein doch nicht ausreichen sollten packen wir lieber noch zwei Paar Schneeketten und ein stabiles Abschleppseil sein. Nebenbei können wir auch gleich unsere Upcycling Handyhalterung und die Dämmmatte für die Motorhaube austesten. Gefühlt wurde der Motor ein bisschen schneller warm obwohl die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt lagen. Gegen die teilweise echt rutschigen Straßenverhältnisse und den damit verbundenen Zeitaufwand bis wir endlich in Einbeck ankommen, kann aber auch das nichts ausrichten.
Da wir in den letzten zwei Jahren schon mehrmals in Einbeck waren und mittlerweile jedes PS-Depot und die Hauptausstellung mindestens einmal gesehen haben, besuchen wir heute wirklich nur die Sonderausstellung. Das macht dann 7€ pro Nase, bei nur einem Raum mit 11 Fahrzeugen darin vielleicht kein guter Kilopreis - aber wir sind wir für Klasse statt Masse. Und die hier ausgestellten Fahrzeuge sind den weiten Weg definitiv Wert. Selbst bei größeren Oldtimer und US-Car Treffen sieht man vermutlich nie alle diese Typen zusammen stehen. Von den restlichen Exponaten und informativen Schildern ganz zu schweigen.
Unter dem Slogan "How fast can you go?" dreht sich hier, bis Ende Februar, alles um die amerikanische Hochleistungsära der 1960er und 70er. Damals, als Leistung billig und Benzin noch billiger war, konnte sich ein Auto allein dadurch am Markt behaupten das es einen möglichst großen Motor und wilde Farben zum erschwinglichen Preis bot. Heute wäre es wohl eher die Anzahl der technischen Spielereien und die Größe des Monitor im Armaturenbrett. Kein guter Tausch wie wir finden.
Direkt hinter dem Eingang zur Sonderausstellung erwartet uns das wohl wichtigste Teil um aus einem normalen Automobil ein Muscle-Car zu machen; der Leistungsstarke V8 Motor. In diesem Fall ein Chrysler 440 Big Block, hier in der SixPack Ausführung mit drei(!) Doppelvergasern. So kriegt man auch 1970 ganze 390 SAE-Pferdestärken aus einem 7,2L Motor mit nur einer Nockenwelle und 16 Ventilen. Damit so ein Aggregat auch bestmöglich funktionieren kann haben sich die Konstrukteure noch ein paar zusätzliche Tricks einfallen lassen, zum Beispiel eine Motorhaube mit Lüftungsöffnungen die vom Innenraum manuell geöffnet werden können um dem Vergaser besser Frischluft zuzuführen. Gleicherweise eine Klappensteuerung für die Abgasanlage um die restriktiven Schalldämpfer unmittelbar hinterm Krümmer zu umgehen. Warum sich das nicht durchgesetzt hat ist uns ein Rätsel.
Andere Verbesserungen die man beim Leistungsstärksten Exemplar der jeweiligen Baureihe erwarten würde gibt es hingegen gar nicht oder nur als zusätzliche Aufpreis pflichtige Sonderausstattung die mehr oder weniger häufig hinzugebucht wurde. Wer braucht schon eine Servolenkung, Bremskraftverstärker oder die größtmöglichen (Trommel-)Bremsen die in die Felge passt? In erster Linie wollten die Konstrukteure und Erstbesitzer einfach die bestmögliche Beschleunigung bei mehr oder weniger legalen Beschleunigungsrennen. Dafür braucht es weder Klimaanlage noch Schalensitze. Im Zweifelsfall noch nicht einmal einen Schalthebel zwischen den Sitzen. Die Lenkradschaltung reicht beim Automatikgetriebe auch. Solange die Leistung so erfolgreich bis zur hoffentlich mit einer Differentialsperre bestückten Hinterachse gelangt.
Ab dann ist es sowieso das Problem der Reifen. Die waren damals erstens schmal und zweitens serienmäßig auf Stahlfelgen mit mehr oder weniger großen Radkappen montiert. Wer Leichtmetallfelgen und breiteres Gummi für bessere Traktion wünscht muss sich im Zubehörmarkt umschauen. Wie sich ein 205mm breiter Reifen, egal von welchem Hersteller im Dodge Charger R/T mit 375SAE-PS ohne Traktionskontrolle herumschlagen soll wissen wir auch nicht. Aber es dürfte ähnlich haarig werden wie unser Jimny auf dem Weg nach Einbeck wenn die Straße plötzlich verdammt rutschig wird und das ESP ins Rudern gerät.
Mit Felgen von Keystone, Cragar oder AmericanRacing besteht zumindest die Option auf breitere Reifen die beim Beschleunigen mehr Fahrbahnkontakt bieten. Falls daraufhin der Wunsch nach noch mehr Leistung aufkommt gab es damals und heute genügend Möglichkeiten. Ob es eine zeitgenössische Weiand TunnelRam Ansaugbrücke mit zwei großen vierfach Holley-Vergasern sein muss oder gleich ein Kompressorumbau wie bei dem 66er Shelby Mustang GT350 von dem in diesem Jahr nur elf Exemplare gebaut wurden. Scheinbar war der Aufpreis von 670$ für die Leistungssteigerung von 271 auf 395 Pferdestärken doch etwas hoch. Nicht nur wegen dieser Seltenheit sind Muscle-Cars heute so gesucht und entsprechend teuer.
Sie machen Spaß, sie fallen überall auf und wenn sie nicht von ihren früheren Besitzern um einen Baum gewickelt, fies umgebaut oder vom Rost zerfressen wurden, blühte ihnen ein Schicksal in Hollywood. Ganze Filme waren nur deswegen erfolgreich weil möglichst viele Autos auf spektakuläre Art zerstört wurden. In Verbindung mit den in Relation ziemlich geringen Stückzahlen bevor die Ölkrise, Umweltschutzgesetze und unbezahlbare Versicherungen ihnen nach ein paar Jahren endgültig den Hahn zudrehten. Insofern können wir froh und zufrieden sein mit den elf Fahrzeugen die hier vor uns stehen. Auch wenn wir keines davon mit nach Hause nehmen dürfen und bei den aktuellen Witterungsverhältnissen gerüchteweise auch niemals erfolgreich schaffen würden, stellt sich natürlich trotzdem die Frage welcher Wagen mit uns kommen würde.
Unabhängig vom aktuellen Wert oder der höchsten Motorleistung müssen wir uns zwischen einem Ford Mustang Mach1, Shelby Mustang GT350,Shelby Mustang GT500, Dodge Charger R/T, Chevrolet Chevelle, Chevrolet Camaro, Plymouth Roadrunner, Plymouth Roadrunner Superbird, Plymouth Hemi Cuda, Pontiac GTO Judge und Oldsmobile 442 entscheiden. Letztendlich fällt die Wahl auf den Superbird, nicht nur wegen der Farbe die perfekt zum Suzuki passt oder wegen der authentischen Patina, dem Sixpack Motor und der einzigartigen Optik mit langer Nase und riesen Pommestheke sondern weil er als einiges Fahrzeug der Ausstellung eine Anhängerkupplung hat und das muss einfach sein. Wie wild wäre es wohl damit einen Wohnwagen zu ziehen und gemütlich in den Urlaub zu blubbern - mit stets genügend Leistung unter der Haube um jeden Lkw zu überholen?
Stattdessen fahren wir mit einem Bruchteil der Motorleistung aber deutlich mehr Komfort und etwas mehr Sicherheit im Jimny heimwärts. Mittlerweile ist der Schneefall komplett in Regen übergewechselt. So wie es aussieht werden wir auch in diesem Jahr unsere Schneeketten nicht mehr benötigen.
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