Freitag, 1. Oktober 2021

You're in the Army now: REO fahren im Mammutpark

 

Das Wochenende in Stadtoldendorf ist noch nicht ganz zu Ende und das Beste kommt noch: eine Stunde im 40 Jahre alten Armeelaster durchs Gelände fahren. Dafür muss man weder den Streitkräften beitreten noch einen LKW-Führerschein haben, nur ein bisschen Leidensfähig muss man schon sein. Komfortabel ist so ein Fahrzeug auf keinen Fall. Aber das sollte wirklich niemanden ernsthaft überraschen.

 


Vor Beginn der wilden Fahrt brauchen wir eine gründliche Einweisung für diesen LKW. Die Kombination aus altem Nutzfahrzeug und Armeefahrzeug birgt doch einige Spezialitäten. Und dann auch noch damit im Gelände zu fahren macht es auch nicht leichter. Zumindest mit dem letzten Punkt kennen wir uns schon ein bisschen aus. Darum geht es direkt zur Sache und hinters ziemlich große Lenkrad dieses REO M35A2C der Aufgrund seiner Nutzlast von 2,5t auch als Deuce-and-a-Half bekannt ist. 

 


Grundsätzlich sind die Bedienelemente wie bei den meisten Autos/Geländewagen; ein Lenkrad, drei Pedale und zwei Schalthebel. Komplizierter wird es durch das Schaltschema vom Getriebe; Rückwärtsgang oben links, Erster unten links, Zweiter und Dritter normal in der mittleren Gasse, Vierter und Fünfter Gang sind jedoch vertauscht. Zusätzlich sind nur die Gänge 2-5 synchronisiert und die Vorderachse muss über einen Hebel unterm Armaturenbrett pneumatisch zugeschaltet werden. Typisch für Militärfahrzeuge sind überall in der Kabine Hinweisschilder und Beschriftungen angebracht damit man zweifelsfrei weiß wofür welcher Knopf ist. 

 

 

Sobald man das Getriebe verstanden hat muss man eigentlich nur noch die Lenkung meistern, dann kann die Reise schon losgehen. Auch wenn es schwer zu glauben ist, dieses fast 6t schwere Stück amerikanischer Ingenieurskunst hat keine Servolenkung. Das heißt man muss schon ordentlich zupacken um das Steuer rumzureißen. Ab einem gewissen Punkt, besonders im weichen Untergrund will das Lenkrad sich einfach weiterdrehen, darum muss immer wie in der Fahrschule mit beiden Händen am Volant gefahren werden. Und die Daumen niemals ins Lenkrad hängen, wenn man über Steine oder Baumstümpfe fährt kann es plötzlich herumschlagen.

 

 

Um den Motor zu starten muss erst der Batteriehauptschalter unterm Beifahrersitz umgelegt, dann die Zündung mit dem Drehschalter links vom Lenkrad eingeschaltet und danach der Startknopf rechts vom Steuer gedrückt werden. Idealerweise schüttelt sich der ganze Lastwagen jetzt einmal kurz und der Motor läuft. In unserem REO ist ein 7,83L großer Reihensechszylinder Vielstoffmotor mit Turbolader eingebaut. Auch wenn das erstmal beeindruckend klingt, hat die Maschine trotzdem nur 135PS. Der Turbo klingt richtig amtlich, bringt aber keine nennenswerte Mehrleistung, er sollte nur verhindern dass der Motor weithin sichtbare schwarze Abgaswolken ausstößst. 

 

 

Da die sechs Trommelbremsen druckluftunterstützt sind müssen wir einen kurzen Moment warten bis ein ausreichender Luftvorrat aufgebaut ist. Im Gegensatz zu moderneren Fahrzeugen gibt es hier keine Federspeicherbremszylinder die ein Losfahren ohne Ausreichenden Luftdruck im System verhindern. Einfach den kleine Hebel links vom Fahrersitz runterklappen und schon rollt man los. Ohne Ladung auf der Pritsche und mit dem Verteilergetriebe im LowRange (Hebel zwischen den Sitzen nach unten geklappt) können wir Problemlos im zweiten Gang anfahren ohne Gas zu geben. Jetzt schnell und beherzt am Lenkrad drehen um die Kurve zu kriegen. Sobald die Vorderräder wieder gerade stehen können wir mal stärker aufs Gas drücken und in den dritten Gang hochschalten. 

 


Auf den unbefestigten Wegen im Mammutpark hoppelt der Lkw schon ordentlich, das versetzt den Schwingsitz vom Fahrer auch in Bewegung voraufhin dieser das Gas nicht mehr ruhig halten kann und die Fuhre noch mehr wackelt. Ein echter Teufelskreis aber mit etwas Übung zu meistern. Beim Schalten muss langsam aber mit nachdruck gerührt werden um den Gang reinzukriegen, die Schaltwege sind ziemlich lang. Nachdem der Instruktor ausreichend Vertrauen gefasst hat, dürfen wir ins richtige Gelände fahren. Dafür brauchen wir Allradantrieb, den wir einfach während der Fahrt zuschalten können. Bei Bergabfahrten könnte die Motorbremse zu viel für die unbelastete Hinterachse sein und die Räder blockieren lassen. 

 

 

Dank der eingebauten Vorfahrt können wir uns ganz darauf konzentrieren nicht von der Fahrspur abzukommen und keine Bäume mit den Aussenspiegeln oder der Ladefläche zu rasieren. Ohne Peilstäbe an der Stoßstange ist es teilweise echt nicht einfach abzuschätzen wo das Auto zu Ende ist und ob man die nächste Kurve kriegt ohne zurückzusetzen. Apropos zurücksetzen; nach einer guten Stunde im Park müssen wir den REO zum Glück nicht wie in der Fahrschule rückwärts einparken. Einfach auf dem Parkplatz anhalten, auskuppeln, Handbremse anziehen und den kleine T-förmigen Griff links vom Lenkrad ziehen um den Motor zu stoppen, Zündung ausschalten und fertig. 

 


Das war wirklich ein echt interessantes Erlebnis was sich so schnell wohl nicht wiederholen wird. In freier Wildbahn sieht man solche Fahrzeuge einfach nicht. Der Platzbedarf und die Unterhaltskosten verbieten sowas für die meisten Oldtimerfans. Und ob es auf Dauer wirklich Spaß macht in einer lauten und unklimatisierten Kabine mit mäßigem Tempo durch die Landschaft zu hoppeln muss jeder selbst mal ausprobieren. Ich fahre dann doch lieber im Jimny nach Hause. 


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